Frauencatering

#1 von Rong Kwang ( gelöscht ) , 20.06.2010 03:43

An ihren Socken sollst du sie erkennen
Deutsche gelten den Thailändern als "Farang" - als Leute mit seltsamem Betragen. Deren Heimat halten sie für unbedeutend
Willi Germund

PATTAYA. Die Domstube kennt man nicht nur wegen der rheinischen Heimatliebe von Wirt Willy. Seine Frikadellen sollen so gut sein, dass man sie mit Vergnügen und Heimweh verzehren kann. Ein paar Schritte weiter verheißt ein Schild billiges Bier und "Bundesliga Live". Das bietet auch eine andere Kneipe, die außerdem mit dem wabernden Duft von Sauerkraut Kundschaft anzulocken versucht. Deutschland wie es leibt und lebt - jedenfalls auf der Naklua Road im thailändischen Badeort Pattaya.

Deutsche Wirte haben ein paar hundert Meter der stark befahrenen Straße im Zentrum des Sex-Tourismus in eine kleine Kneipenkolonie verwandelt. Das Thai der Kellnerinnen wirkt hier wie eine Fremdsprache. Das "Made in Germany" präsentiert sich in der Naklua Road beispielsweise in der Gestalt des 54-jährigen Hans aus Koblenz, einem hageren Mann mit schulterlangem, grauem Haar, faltigen Gesichtszügen und einer Zigarette zwischen nikotingefärbten Fingern. Wortlos löffelt er eine Erbsensuppe, während seine junge thailändische Begleiterin gelangweilt ins Mobiltelefon plaudert.

Hunderttausende von deutschen Touristen strömen jährlich nach Thailand. Viele machen Familienurlaub und fallen nicht mehr und nicht weniger auf als andere europäische Urlauber. In den vergangenen Jahren entdecken zudem viele Ruheständler das Königreich mit seinen Stränden, den Elefanten und dem zuvorkommenden Dienstpersonal, das jeden Wunsch der Gäste an den Augen abzulesen vermag.

Aber selbst die harmlosesten deutschen Besucher schaffen es, Klischees und Vorurteile zu bedienen. So wie die Gruppe dickbäuchiger Männer, die auf der Naklua Road von Pattaya das ihre zum Bild der Deutschen im Ausland beitragen. Sie hocken auf Plastikstühlen. Die Gesichter - von Blutdruck oder Sonnenbrand gerötet - sind schweißgebadet. Kurze Hosen erlauben den freien Blick auf sehnige, bleiche Beine und bewundernswertes Schuhwerk: sauber polierte Halbschuhe oder luftige Birkenstock-Sandalen samt dunklen, kurzen Strümpfen. "Deutsche Touristen erkennt man an ihren Socken", diese von Fremdenführern in aller Welt aufgestellte Regel kommt auch in Pattaya zur Anwendung.

Und man erkennt sie an ihren Reden. "Deutsche beklagen sich dauernd", lautet die Erfahrung, die der Chef von Thailands größter Reederei Ngow Hock, Sumate Tanthuwanit, in mehreren Jahrzehnten als Vertreter einer deutschen Reederei in Bangkok gemacht hat. Der Herr über eine Flotte von 40 Containerschiffen ist aber überzeugt, dass weder Beschwerden rund um die Uhr noch dickbäuchige deutsche Touristen im Badeort Pattaya oder in Bangkoks Rotlichtvierteln das Image der Nation bei den Thailändern bestimmen. "Deutsche gelten als ,Farang', als Leute, die anders sind", sagt er, "und Thailänder rechnen damit, dass sie sich seltsam benehmen."

Zudem wurde die Grundlage der weltbekannten Vergnügungsindustrie des Königreichs in den 60er- und Anfang der 70er-Jahre von Vietnam-Kämpfern der US-Streitkräfte gelegt. "Damals entstanden in Thailand drei neue Geschäftszweige", sagt Reeder Sumate Tanthuwanit: "die Hotelindustrie, Hühnerfarmen und Frauencatering." Mit Frauencatering meint er die Bereitstellung von Frauen für Vergnügungen aller Art. Auch die Deutschen gehören zu den Touristen vieler Nationen, die die "neuen" Geschäftszweige in Anspruch nehmen. In dieser Hinsicht sind sie wahrlich nichts Besonderes.

Die meisten Thailänder blicken auf Landsleute herab, die Ausländer heiraten, aber in Isaan, im Nordosten des Landes, hat sich eine andere Haltung ausgebildet: Ehen mit Ausländern gelten als Chance, die eigene Sippe ökonomisch abzusichern. Deutsche Männer stehen allerdings nicht besonders hoch im Kurs. Thailänderinnen, die Bundesbürger heiraten wollen, müssen seit ein paar Jahren mühsam Deutsch lernen, bevor sie ein Einreisevisum erhalten. "Die Italiener sind uns lieber, bei denen brauchen wir keinen Sprachtest", sagt eine Thailänderin aus Isaan, die gerade von einem dreijährigen Europaaufenthalt zurückgekehrt ist und als Kellnerin in einem Lokal auf der Touristenmeile der Sukhumvit-Straße in Bangkok jobbt. Ähnlich hoch im Kurs stehen Briten, denn Englisch ist leichter zu lernen als Deutsch.

Auch der Künstler Wasinburee Supanichvoraparch aus dem Ort Ratchaburi ist überzeugt: "Das Deutschlandbild der Thailänder wird nicht wesentlich, und schon gar nicht allein davon bestimmt, wie die Touristen auftreten." Dem 38-Jährigen fällt auf die Frage nach dem Ruf der Deutschen als erstes ein Klischee ein, dessen Wahrheitsgehalt er selbst während seines zehnjährigen Aufenthalts in Deutschland überprüfen konnte: "Wenn man sich verabreden will, lautet die Antwort immer: Moment, ich muss im Terminkalender nachschauen." Der Keramikkünstler hat in Kassel versucht, Deutsch zu lernen - um anschließend in Landshut zu erfahren, dass er die Bayern kaum verstand. Von jungen Leuten, die jetzt in Deutschland in englischer Sprache studieren können, hört er Klagen, die Deutschen seien arrogant. Aber der Künstler räumt ein: "Diese jungen Thailänder bleiben meistens unter sich - entweder im Wohnheim oder sie gehen in Thai-Restaurants."

Zumindest haben sie es einfacher als Vichit Kiatsrichart Anfang der 60er-Jahre. "Damals gab es in Deutschland nur Milchreis", erinnert sich der heutige Vorsitzende des Vereins ehemaliger Studenten in Deutschland mit leichtem Schaudern, um im nächsten Atemzug eine Art Kompliment loszuwerden: "Die Deutschen sind neugierig und wollen alles mal ausprobieren."

Vichit steht auf einem Empfang der deutschen Botschaft. Anlass ist der 150. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Thailand. In der Halle, in der sonst Thailänder warten, die ein Visum beantragen wollen, sind Wände mit alten Fotos aufgebaut. Es gibt Schnittchen, Getränke und eine kurze Rede. Thailands Regierung scheint den Anlass nicht sonderlich ernst zu nehmen. Ihr Vertreter ist eher von durchschnittlicher Bedeutung. Vichit schwitzt wie alle Gäste. Es gibt keine Klimaanlage, nur Ventilatoren in der Halle. Die Reihen der Gäste lichten sich ziemlich schnell.

Es ist ein schlichter Empfang. Nüchtern wie es deutsche Art sein kann, aber nicht gerade geeignet, das öffentliche Profil Deutschlands zu heben. Dabei weiß das Berliner Auswärtige Amt spätestens seit Anfang dieses Jahres, dass es in Thailand nicht gerade gut um das Image der Deutschen steht. In nur zwei anderen der insgesamt 41 ausgewerteten Länder dieser Welt besitzen der deutsche Adler, die Regierung und das Land ein schlechteres Image als in Thailand.

Traum von freien Autobahnen

Doch daran trägt der deutsche Urlauber in kurzen Hosen, Socken und Halbschuhen keine Schuld, wie die Umfrage ergeben hat. Der schlechte Ruf basiert eher auf Unwissen. Nur 30 Prozent der 500 Befragten gestehen Deutschland eine wichtige Rolle in der internationalen Politik zu, 33 Prozent halten die Berliner Republik für unbedeutend. Nur 23 Prozent glauben, dass Deutschland gerne Einwanderer aufnimmt und nur 27 Prozent sehen in dem Land einen Staat, der Verfolgten Sicherheit gewährt. Gerade mal 28 Prozent sind von den deutschen Beiträgen für internationale Konfliktlösungen überzeugt.

Besser ist der Ruf dagegen, wenn es um Wirtschaft und Wissenschaft geht. Knapp 60 Prozent der Befragten gaben ein positives Urteil ab. Überraschend positiv fiel angesichts des dürftigen Angebots in thailändischen Reisebüros dagegen das Urteil über Deutschland als Reiseland aus. Vielleicht sind die Fragesteller vom Karlsruher Unternehmen Cobus Marktforschung bei ihrer Umfrage ja zufällig auf die Thailänder gestoßen, die Deutschland aus einem ganz speziellen Grund lieben. Sie mieten bei ihren Trips als erstes ein flottes Auto und ab geht es auf die Autobahn. Denn fast jeder Thailänder, der von zu Hause verstopfte Straßen kennt, träumt von einer Erfahrung auf deutschem Boden: im Auto ohne Geschwindigkeitsbegrenzung durchs Land zu rasen.

In der Serie Deutschlandbilder sind bereits Texte aus Russland, Brasilien, Israel, China, Polen, Italien erschienen.

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Handel und Wandel

Tourismus: 546 000 Deutsche sind im Jahr 2008 nach Thailand gereist. Das waren 0,2 Prozent mehr als 2007 - trotz der politischen Unruhen Ende November. Deutschland ist nach Angaben des thailändischen Fremdenverkehrsamtes nach Großbritannien der zweitwichtigste europäische Markt.

Handel: Deutschland ist innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner Thailands. Das bilaterale Handelsvolumen lag 2008 bei 5,9 Milliarden Euro, das waren 5,1 Prozent mehr als 2007. In diesem Jahr gibt es wegen der Finanzkrise einen starken Rückgang. Thailand importiert aus Deutschland vor allem Maschinen, chemische und biochemische Produkte sowie Elektronik. Umgekehrt liefert das südostasiatische Land sehr viel Elektro- und Elektronikwaren nach Deutschland, sowie Computer, Lebensmittel, Textilien.

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Rong Kwang

   


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