LAST EXIT HUAY YAI

#1 von alex ( Gast ) , 19.06.2009 11:00

LAST EXIT HUAY YAI

Stur gegen die Zensur

Aus Huay Yai berichtet Thilo Thielke

Es ist eine skurrile Mischung aus Völkerkunde, Schmökern und Politik: Der deutsche Kaufmann Ande führt in Thailand den ungewöhnlichen Buchverlag "White Lotus". In einem Land, in dem Pressefreiheit nur eingeschränkt möglich ist, ist das bisweilen ein Wagnis.

Schon wieder nichts als Ärger. Vier Druckereien haben bereits abgesagt, die fünfte will es wohl machen. Aber wer weiß! Thailand ist unberechenbar. Und die Menschen haben Angst. Diethard Ande kennt das. Seit 39 Jahren lebt der Verleger bereits im ehemaligen Siam. "Aber so schlimm wie im Moment war es noch nie", meint er.

"WHITE LOTUS": THAILAND IN DER KRISE

Dabei scheint sein Anliegen harmlos. Ein neues Buch will er herausbringen; eins, das sich mit den politischen Turbulenzen der vergangenen Monate beschäftigt. Doch was in den meisten Demokratien eine Selbstverständlichkeit ist, gilt in Thailand bisweilen als tollkühn: ein politisches Buch zum Beispiel.

"Red vs. Yellow, Volume 1: Thailand's crisis of identity" soll es heißen, 160 Seiten dick, mehr als die Hälfte davon Bilder. Autor ist der deutsche Fotograf Nick Nostitz, auch er lebt schon lange in Thailand. Er hat wie kaum ein zweiter ausländischer Journalist die Unruhen verfolgt, die Besetzung des Flughafens, den Sturz der Regierung, die Tumulte von Rothemden und Gelbhemden, wie die politischen Lager genannt werden. Nun hat er ein beeindruckendes Kompendium schockierender Bilder und eindrucksvoller Berichte über das Chaos vorgelegt. Und kaum eine Druckerei wagt, das Zeitdokument zu vervielfältigen.

Ande wird das Ding trotzdem durchziehen. Er hat ein Faible für schöne Bücher und natürlich auch eins für Geschäft. Mit dem Nostitz-Projekt stößt er auf jeden Fall in eine Marktlücke, denn im buddhistischen Thailand herrscht derzeit so etwas wie das Schweigen der Lämmer.

Der König schweigt

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass regierungskritische Journalisten mundtot gemacht werden. Reihenweise wurden Internet-Seiten gesperrt, Anzeigen wegen Majestätsbeleidigung erlassen, Radiostationen stehen vor der Schließung. Wichtige oppositionelle Politiker sitzen im Knast oder Exil.
In die Südsee, Karibik oder an den Pazifik? Ans Kap der Guten Hoffnung oder nach Koh Lanta? In den Moloch von Bangkok oder Peking? Deutsche Auswanderer machen ihren Traum von einem neuen Leben wahr.

Was treibt sie um? Was wollen sie in der Ferne? Fragen, denen SPIEGEL- Korrespondent Thilo Thielke in seiner Kolumne "Last Exit ... " nachgeht.

Neulich wurde sogar ein Australier monatelang weggesperrt, weil er im Selbstverlag einen Roman herausgegeben hatte, in dem die amourösen Verstrickungen eines nicht namentlich genannten Königssohns Erwähnung finden. Immer wieder kam es zu Gewaltausbrüchen zwischen Regierungsgegnern und Polizei. Jetzt brodelt es weiter unter der Oberfläche. Der König schweigt.

So eine Energie im Einsatz gegen den weltweiten Informationsfluss kennt man sonst nur aus Ländern wie Burma, Nordkorea oder China. Besonders der thailändische Justizminister gilt als treibende Kraft, am liebsten würde er die Höchststrafe für die Beleidigung des Königshauses von 15 auf 25 Jahre erhöhen, heißt es.

Von einer regelrechten "Panik, die gegenwärtig herrscht", schrieben die Blogger von "Fact" ("Freedom Against Censorship Thailand"). So sei am 14. Januar 2009 der Ölarbeiter Suwicha Thakhor verhaftet worden. Dem dreifachen Familienvater habe man vorgeworfen, "Material zu verbreiten, das die Monarchie beleidigt". Er wurde im April zu zehn Jahren Haft wegen Majestätsbeleidigung verurteilt.

Und als Anfang Dezember 2008, auf dem Höhepunkt der Bangkoker Flughafenbesetzung, das britische Wochenmagazin "Economist" eine Geschichte über die Rolle des Königshauses veröffentlichte, war in Thailand die ganze Ausgabe nicht erhältlich. Unter der Überschrift "A right royal mess" hatten die anonymen Autoren behauptet, "Thailands endloser politischer Konflikt" habe auch mit dem "Tabuthema seiner Monarchie" zu tun, und aus einem anderen indizierten Werk ("The King Never Smiles") zitiert.

Sicherheitshalber haben Ande und Nostitz ihr Buch vorher bei der Polizei vorgelegt und prüfen lassen. Niemandem ist bislang etwas Anstößiges aufgefallen. Das will nicht viel heißen. Es gehört jedenfalls Mut dazu, in einem solchen Land, das sich inmitten politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen befindet, so ein Buch zu veröffentlichen.

Ruheständler-Paradies von Huay Yai

2005 ist Diethard Ande mit seinem Verlag "White Lotus" und den vier Angestellten in das Dörfchen Huay Yai, gut zwei Autostunden südlich von Bangkok, gezogen. Vorher war er in der Hauptstadt. Aber Ande ist jetzt 71, er hat genug vom Lärm, den Staus, dem Gestank - den vielen Belästigungen, denen man in der thailändischen Hauptstadt unaufhörlich ausgesetzt ist. In Huay Yai geht es dagegen beschaulich zu.

Ande steht auf der Terrasse seines Verlagsgebäudes und blickt über Drachenfrucht-Plantagen. Weiter hinten zeichnen sich die Silhouetten ziemlich kitschiger Villen ab. Sie werden von Deutschen und Engländern bevölkert, die sich hier niedergelassen und den Traum vom Märchenschloss verwirklicht haben. Zum Meer fährt man eine Dreiviertelstunde.

Die wenigsten in diesem Ruheständler-Paradies bekommen mit, was im Rest des Landes los ist. Anfang Juni haben im Süden ein paar Fanatiker eine Moschee gestürmt und zehn Menschen beim Gebet erschossen. Und im Norden bereiten Regierungsgegner neue Schlachten gegen das Establishment in Bangkok vor.

"Thailand könnte kurz vor einem Bürgerkrieg stehen", sagt Ande, der in seiner südostasiatischen Wahlheimat schon einige Staatsstreiche erlebt hat, "zum ersten Mal hat sich der Machtkampf auf das flache Land ausgedehnt, zum ersten Mal wurde die Wirtschaft des Landes angegriffen: Das ist nicht mehr mit den Coups der Vergangenheit vergleichbar".

Das Nordlicht Ande, in Hamburg geboren, in Flensburg aufgewachsen, kam wie so viele zum ersten Mal nach Thailand: als Rucksacktourist. Acht Monate lang war er 1966 durch Asien getrampt. Vier Jahre später hatte er dann in Berlin endlich sein Studium zum Wirtschaftsingenieur beendet. Doch wohin? Ande kaufte sich ein One-Way-Ticket nach Thailand. Und blieb.

Die ersten zwei Jahre arbeitete er als Geschäftsführer der Deutsch-Thailändischen-Handelskammer, doch dann schied der Präsident, der ihn geholt hatte, aus, "und es kam ein Arschloch". Ande kündigte. Aber als Hansdampf in allen Gassen fand er schnell einen Ausweg. 1972 gründete er die Firma "White Lotus" und importierte aus Europa, was sich so in Thailand losschlagen ließ: Autoersatzteile, Spezialschmierstoffe, Teflon. Irgendwann kamen Bücher ins Sortiment: Schmöker für die Hotels und ihre reisende Kundschaft.

"Hello My Big Big Honey" ist der Bestseller

Die Sache mit den Büchern gefiel Ande: "Man zahlt kaum Zölle und hat mit interessanten Sachen zu tun." Ande importierte Kunstbücher, antiquarische Werke, aber meist "das, was gerade gebraucht wurde". Anfang der Achtziger las er von den Yao, einem laotischen Volk, dessen Bewohner während des Vietnamkriegs nach Thailand abgedrängt wurden und, von Missionaren beeinflusst, ihre alten Kultgegenstände verkauften. Das Thema interessierte Ande, aber es gab noch nichts darüber. Also beschloss er, selbst Verleger zu werden, und begeisterte den Experten Jacques Lemoine für das Projekt. "Yao Ceremonial Paintings" wurde zum ersten akademischen Erfolg des Verlags. "Bis heute gilt es als Standardwerk", sagt Ande stolz.

Der große Verkaufsschlager wurde das Buch nicht. Bis heute hat sich "Hello My Big Big Honey. Love Letters to Bangkok Bar Girls" am besten unter die Leute bringen lassen. Aber man muss flexibel sein als Verleger. In Andes Sortiment finden sich mittlerweile Nick Knatterton neben Tiziano Terzani ("Saigon 1975") und Bücher über das burmesische Marionettentheater neben solchen über paramilitärische Gruppierungen in Thailand.
Im Moment läuft das Geschäft nicht so gut. Die meisten "White Lotus"-Kunden sind Reisende, und in Zeiten der Wirtschaftskrise stehen auch in Thailand viele Hotels leer. Aber wer weiß. Vielleicht wird ja das Nostitz-Buch über die politischen Scharmützel der Gegenwart ein Knüller - wenn es nicht vorher von den Zensoren der neuen Regierung aus dem Verkehr gezogen wird.

http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,629678,00.html

alex

RE: LAST EXIT HUAY YAI

#2 von fred ( Gast ) , 24.06.2009 21:03

Ande wird das Ding trotzdem durchziehen. Er hat ein Faible für schöne Bücher und natürlich auch eins für Geschäft. Mit dem Nostitz-Projekt stößt er auf jeden Fall in eine Marktlücke, denn im buddhistischen Thailand herrscht derzeit so etwas wie das Schweigen der Lämmer.

Als Auslaender sollte man sich in Thailand besser aus der Politik raushalten. Eine eigene Meinung kann und sollte man haben aber sie in Thailand oeffendlich publik machen? Sind ja so schon genug Durchblicker in Thailand unterwegs die denken sie wissen alles besser und mussen es den Thais kund tun. Teilweise radikal und recht agressiv gegen die eigenen Landleute wenn sie auf andere Meinungen stossen. Einige sind boese auf die Nase gefallen mit ihren politischen Buechern. Bringt eh nichts ausser Aerger. Ich denke mal das die Thais schlau genug sind und ihre Geschicke auch ohne diese Durchblicker und Weltverbesserer selber bestimmen koennen.


gruss fred

fred

   

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