RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#31 von MadMovie , 11.12.2009 06:38

Kapitel 20[/size]

In den frühen Morgenstunden des zweiten Weihnachtsfeiertages wurde Nong vom lauten Tuckern des Dieselaggregates geweckt.

Der Anker war bereits gelichtet worden und sie entfernten sich langsam von der kleinen malerischen Insel mit den Felsen am Strand.

Niemand hinderte sie daran, an die Reling zu treten.

Nong streckte sich und machte ein paar Dehnübungen.

Sie fühlte sich heute besser.

Irgend etwas musste sie verpasst haben.

Hatten ihre Bewacher einen Funkspruch oder einen Telefonanruf erhalten?

Warum dieser hastige Aufbruch?

Vielleicht gab es eine Absprache mit Pairat, sie an Land zu bringen.
Aber wo?

Nong blinzelte in die aufgehende Sonne.

Wenn sie mit ihrer gestrigen Vermutung richtig lag und jetzt der Sonne entgegen fuhren, würde der recht langsame Fischkutter in ein paar Stunden die Krabi Bay erreichen.

Nong verdrängte die Gedanken, die ihr einen unruhigen Schlaf beschert hatten.

Pairat hatte nur geblufft, Peter und Bernd waren am Leben, es konnte, es durfte nicht anders sein.

Außerdem waren da noch ihr Bruder und ihr Vater, die sicher alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, um sie zu finden.

Nong blickte voller Zuversicht auf die ruhige Andamanen See.

* * *

Inzwischen war die größte militärische Operation in der Geschichte Thailands angelaufen, die jemals der Suche nach einer einzelnen zivilen Person galt.

Es war dem Umstand zu verdanken, dass General Pittayarat hoch angesehen war und im Generalstab seine Freunde hatte.

Zum anderen hatte Rangsan Saithong die nötigen Beziehungen bis ins Vorzimmer des Premierministers.

Die Laem Phrao Marine Basis war alarmiert worden und Schnellboote durchpflügten die Seestrasse zwischen Phuket und Koh Yao Yai.

Hubschrauber patroullierten über die Insel.

Rangsan Saithong dachte für einen Moment daran, dass die Amerikaner militärische Satelliten besaßen, mit denen man ein Auto oder Boot vom Weltall aus identifizieren konnte, verwarf den Gedanken aber wieder.

Das ging dann wohl doch zu weit, denn sie wussten immer noch nicht, wo sie eigentlich suchen sollten.

Einer der emsigen Mitarbeiter hatte gestern Abend einen alten Fischer getroffen, der aus der Flasche Whisky, die er in der zitternden Hand hielt, zum Glück erst den zweiten Schluck nahm.

Der Fischer erkannte Pairat auf dem Bild sofort, besaß allerdings kein Foto von seinem Kutter, konnte nur eine Beschreibung geben.

Der alte Mann hatte noch gesagt, dass der feine Herr sich sehr großzügig gezeigt hatte, obwohl der Kutter nicht verkauft, sondern nur vermietet worden war.

Die Fahndung beschränkte sich seit Tagesanbruch auf dreizehn Meter lange, ältere Fischkutter.

* * *

Dr. Wolfgang Werner hatte eine unruhige Nacht verbracht und begab sich kurz vor acht Uhr ins Erdgeschoss seines Hotels, um einen Kaffee zu trinken und einen Frühstückssnack vom reichhaltigen Bufett zu nehmen.

Seine Damen schliefen noch.

Man würde sich später am Strand im Süden der Patong Bay gegenüber dem Seagull Hotel treffen.

Vorher wollte sich Dr. Werner noch bei Bernd aus Berlin verabschieden, der heute abreisen musste.

Wolfgang Werner hatte gestern am Telefon nicht so ganz verstanden, warum Bernd zur unerwünschten Person erklärt worden war und wollte sich heute Morgen genauer danach erkundigen.

Der Löffel in der Kaffeetasse klapperte, sogar der Tisch wackelte ein wenig.

Dr. Werner warf einen Blick auf die Strasse, ob gerade ein Lastkraftwagen vorüber fuhr, aber es war nichts zu sehen. Alles war ruhig.

* * *

Bernd hatte den Koffer gepackt und bei der Rezeption abgestellt.

Er fügte sich in das Unvermeidliche, obwohl die Bemühungen, ihn nicht des Landes zu verweisen, weiter gingen.

Lek kam atemlos angerannt, hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und klappte dabei das Handy zu.

“Ich habe meinen Chef privat zu Hause angerufen...”

“Lass mich raten, Lek, er kann auch nichts für mich tun”, sagte Bernd und winkte ab.

Peter kam gerade mit einem vollgepackten Teller zurück vom üppigen Frühstücksbufett.

Der schnelle Blick, den Lek und Peter miteinander wechselten, irritierte Bernd nicht zum ersten Mal.

Die beiden hatten etwas miteinander gehabt, jede Wette, dachte Bernd, aber er behielt es für sich.

Lek war eine tolle Frau, aber sie hatte ihre eigene Welt, in der sie lebte.

Eine Fernbeziehung mit gegenseitigen Besuchen, warum nicht?

Besuche in Thailand?

Er musste heraus bekommen, ob dies in Zukunft wieder möglich sein würde.

Im Minutentakt trudelten auch Rangsan Saithong und Wolfgang Werner ein.

Khun Rangsan kam ihm gerade wie gerufen.

Der Chef-Koordinator der Suche nach Nong setzte sich zu ihnen und bestellte einen Kaffee.

Bernd erläuterte Wolfgang mit knappen Worten, was ihm vorgeworfen wurde.

Dann fragte er Rangsan Saithong, ob er jemals wieder nach Thailand einreisen dürfe.

Lek ergriff Bernd’s Hand und rückte näher heran.

Manchmal bedeutet so eine kleine Geste mehr als tausend Worte und tausend Küsse, dachte Bernd.

“Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht”, hörte er Saithong sagen.

“Bisher waren alle Vorstöße in der Sache erfolglos”, sagte Peter.

“Das lässt für mich nur einen Schluss zu: Potaram hat persönlich beim Premierminister interveniert.”

Peter ließ die Worte auf die Anwesenden wirken und lieferte gleich die Lösung mit:

“Wir aber können beweisen, dass Potaram mit drin steckt. Die Mordanschläge beweisen ebenfalls, dass unliebsame Mitwisser ausgeschaltet werden sollten!”

“Ich brauche mal ihre Email-Adresse, Khun Rangsan. Ich schicke ihnen die Ermittlungsergebnisse übermorgen zu”, sagte Bernd und sah endlich wieder Licht am Ende des Tunnels.

“Noch besser, die deutsche Kriminalpolizei macht es. Sieht offizieller aus”, schlug Peter vor.

Ein Funkgerät quakte und ein Handy dudelte eine Melodie.

“Falls Nong nicht umsteigen musste oder an Land gebracht wurde, haben wir sie in zwei Stunden”, sagte Khun Rangsan nach Beendigung des Telefonats.
“Es müssen nur noch vier verdächtige Schiffe kontrolliert werden, die sich in den Gewässern zwischen den Phi Phi Islands und Krabi befinden! - Und was Sie betrifft, Khun Bernd, hat alles, was Sie vorbringen, keine aufschiebende Wirkung!”

Rangsan Saithong dachte nicht im Traum daran, seine Karriere dadurch zu zerstören, indem er unbewiesene Behauptungen über den angesehenen Unternehmer Potaram sammelte und weiter gab.

Wenn wirklich etwas dran war an dem, was dieser deutsche Journalist sagte, musste es auf jeden Fall vertuscht werden.

Sehr zum Missfallen des Managers, der um den guten Ruf seines Hotels fürchtete, wenn einer der Gäste abgeführt wurde, bahnte sich ein kleiner Trupp Militärpolizei einen Weg durch Personal und Touristen.

Der Führer des Trupps salutierte zackig.

“Mein Name ist Leutnant Leekpai Romken. Ich bin verantwortlich für die Überführung von Mister Krüger zum Flughafen”, sagte der Offizier im schneidenden Tonfall auf Thai und Rangsan Saithong nickte Bernd zu.

Öffentlichkeit hin oder her, es war Lek in diesem Moment egal.

Sie umarmte Bernd, presste ihren Kopf gegen die breite Brust und verdrückte eine Träne.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#32 von MadMovie , 12.12.2009 07:08

Kapitel 21
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Der Armeejeep war gerade erst dreihundert Meter die Thavee Wong Road hinauf gefahren, als Leutnant Romken dem Fahrer befahl, anzuhalten.

Der Offizier eilte zum 7 Eleven, um etwas zu besorgen.

Bernd spürte, wie ihn die Passanten anstarrten.

Bringt mich bloß weg hier, dachte er, die müssen mich doch für einen Kinderschänder oder Drogendealer halten.

In einem geschlossenen PKW hätte er abtauchen können, aber hier im Jeep saß er wie auf dem Präsentierteller.

Wenigstens diese Demütigung hätte man ihm ersparen können.

Bernd schaute nervös auf die Uhr, schüttelte dann das Handgelenk.

9:45 Uhr? Das konnte nicht stimmen.

Die Armbanduhr war stehen geblieben, es war sicher schon später...

* * *

Nong genoss die Freiheit, an der Reling zu stehen und betrachtete die Schaumkronen auf den Wellen.

Ein- zweimal versuchte sie, mit einem der Bewacher am Bug ins Gespräch zu kommen, der andere war am Steuerrad, aber jede Frage blieb unbeantwortet.

Am Horizont tauchten zwei Inseln auf und zu ihrer Überraschung erhielt Nong diesmal eine Antwort auf ihre Frage:

“Koh Poda Nai, Koh Poda Nok!”

Der Kutter hielt direkt darauf zu.

War dort der Treffpunkt mit Pairat?

Ihr Bewacher, ein junger drahtiger Thai, der ein weißes T-Shirt mit einem Totenkopf trug und sich offensichtlich in der Rolle des Piraten wohl fühlte, scheuchte Nong zurück unter Deck und verriegelte die Tür...

* * *

Es war natürlich töricht gewesen, Rangsan Saithong darum zu btten, in einen Hubschrauber steigen zu dürfen, schalt sich Peter.

Es half auch nichts, darauf hinzuweisen, in den deutschen Zeitungen nur Positives über Thailand zu berichten.

Als Peter sich umdrehte, war Lek wie vom Erdboden verschluckt.

So trottete er schlecht gelaunt über die Strasse zum Strand, wo sich die ersten Touristen darüber wunderten, dass der Strand immer breiter wurde.

Peter erwartete, Dr. Werner in der Nähe des Verkaufsstandes zu finden, wo Ehefrau und Tochter gerade zwei Liegen mieteten.

Aber Wolfgang Werner war stehen geblieben und betrachtete nachdenklich das Meer.

Das Wasser zog sich weiter zurück, erst einhundert, dann fast zweihundert Meter.

“Was hat das zu bedeuten, Wolfgang?”

Dr. Werner antwortete nicht, sondern blickte auf die Armbanduhr.

“Jetzt kann man sogar in Thailand Wattwanderungen machen”, sagte ein baumlanger, braun gebrannter deutscher Tourist.
“Und viel wärmer, als an der Nordsee!”

Peter konnte sich nicht daran erinnern, dass es hier so einen starken Tidenhub gab.

Irgendetwas passierte da draußen, aber was?

Vielleicht senkte sich der Meeresboden und das Wasser floss zurück?

Dr. Werner war hier der Meeresexperte und Peter stupste ihn an.

“Die Wurzel des Produkts aus Wassertiefe und Erdbeschleunigung”, grummelte der Wissenschaftler.

Peter war unverständliche Antworten von seinem Freund Bernd gewohnt, deshalb war er nicht wirklich überrascht, dass dieser zerstreute Professor hier ähnlich reagierte - mit einer Rechenaufgabe.

“Was bedeutet das?”

“Dass in fünf, besser in zwei Minuten der Strand geräumt sein muss!” rief Dr. Werner.

Ihm war schlagartig der Zusammenhang klar geworden, als das Meer zurück wich.

Das Klappern des Löffels, der wackelnde Tisch.

Wenn sich das Beben an der Subduktionszone zwischen der Indisch-Australischen und Eurasischen Erdplatte westlich von hier ereignet hatte und nach der Formel eine Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Tsunami von etwa 800 Kilometer pro Stunde oder mehr zu Grunde gelegt wurde, dann war es jeden Moment soweit.

“Das Wellental einer Tsunami! Warne alle im Umkreis und dann hoch zur Strasse!” brüllte Wolfgang Werner und rannte durch den weißen Sand, um Frau und Tochter von den Liegen zu zerren.

Peter lief zunächst zu dem Mann, den er für einen deutschen Touristen hielt.

“Los, weg hier” keuchte Peter.

“Was soll der Quatsch? Sogar die Einheimischen sind draußen und sammeln Meeresgetier!”

Es würde unmöglich sein, alle an diesem Strandabschnitt zu warnen, wenn jeder so reagierte.

“Der Mann ist Meeresforscher, hau ab, wenn dir dein Leben lieb ist!”

Peter rannte weiter und rief immer wieder “Big flood wave! Leave the beach!” bis die Stimme heiser wurde, aber nur wenige beachteten ihn.

Susann Werner stampfte mit dem rechten Fuß in den weichen Sand.

“Ich bleibe! Ich warte auf Göran!”

Das war ihr schwedischer Freund.

Dr. Werner hatte seine Tochter in den letzten sechzehn Jahren nie geschlagen, aber jetzt holte er aus.

Allein die Geste wirkte.

“Es ist besser, nicht zu widersprechen, wenn dein Vater so guckt”, sagte Birgit Werner und raffte die Sachen zusammen.

Peter taumelte vorbei und krächzte in Richtung der Verkäuferinnen, die auf der Eiskiste saßen: “Big flood wave!”

Aber die schüttelten verständnislos die Köpfe und blieben sitzen, bis auch sie es sahen:

In der Ferne bäumte sich eine dunkelgraue gischtgekrönte Wasserwand auf.

“So schnell wie ein Flugzeug, weg hier!” schrie Wolfgang Werner.

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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#33 von MadMovie , 13.12.2009 17:09

Fortsetzung Kapitel 21
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Die vier rannten barfuss durch den heißen Sand und stolperten auf die Beach Road.

Peter’s Stimme versagte, aber Wolfgang rief den jungen Burschen, die seelenruhig auf den Motorrädern hockten, eine Warnung zu.

Einige Touristen und Einheimische hatten sich nach einem Blick auf die heran brausende Wasserwand den Flüchtenden angeschlossen und hasteten zur Strasse.

In der Nähe des Seagull Hotel parkten zwei rote Minibusse und die Fahrer hockten im Schatten und schwatzten und rauchten.

Peter raste über die Strasse, Bremsen quietschten und ein Pick-Up kam schlingernd zum Stehen.

Für Sekundenbruchteile dachte Peter an Wan, die hier starb, aber jetzt galt es, die Lebenden zu warnen!

Bernd oder Lek wären jetzt hilfreich gewesen, die die Warnungen auch in Thai hätten rufen können.

Peter bestürmte den Portier, dass Hotel räumen zu lassen, brachte aber nur ein heiseres Husten zu Stande.

Er hob den Arm und zeigte aufs Meer.

Dr. Werner riss den Fahrer des Minibus aus der Lethargie.

“Bring us to the top of the hill, please!” rief er, inzwischen auch außer Atem.

“Threehundred Baht!” sagte der Fahrer ohne besondere Eile.

Der Blick zum Meer war ihm versperrt.

“I give you fivehundred if you start the engine now!”

Birgit und Susann Werner hatten bereits auf den Sitzbänken Platz genommen.

Wolfgang Werner war sofort klar gewesen, dass es an diesem südlichen Strandabschnitt der Patong Bay nur eine Fluchtmöglichkeit gab - die Strasse den Hügel hinauf Richtung Sea View oder Karon Beach.

Er wusste natürlich nicht, wie hoch sich die Tsunami an diesem flachen Strand aufbäumen würde.

Die höchste bisher gemessene Welle war 500 Meter hoch, das war allerdings in Alaska gewesen...

Der Fahrer hatte inzwischen begriffen, dass eine Katastrophe drohte und der 500-Baht-Schein knisterte in der Brusttasche.

Auch der andere Fahrer schreckte auf und startete den Motor.

Peter sprang auf den fahrenden Minibus und knallte mit dem Kopf gegen Wolfgangs Knie.

Er rappelte sich wieder auf und sah, wie dem anfahrenden Fahrzeug ein hünenhafter Mann mit nacktem Oberkörper hinterher hechelte.

Es war der Tourist, den Peter zuerst angesprochen hatte.

“Nehmt mich mit!” schrie er.

Es war ein Unding, daran zu glauben, jetzt noch den Fahrer zu einem Stopp zu überreden.

Aber der Tourist war durchtrainiert und schaffte den Sprung auf das Trittbrett.

“Verfluchte Schei..., ich habe meine Kumpels nicht gefunden!” keuchte er.

Wolfgang legte eine Hand auf die Schulter des Erschöpften.

“Wir suchen deine Freunde, wenn alles vorbei ist, okay? Wie ist dein Name?”

“Thomas Reiter.”

Der Fahrer stoppte nun oben auf dem Hügel.

Es dauerte nicht lange, bis andere die Strasse verstopften, die sich selbst und ihre Fahrzeuge in Sicherheit bringen wollten.

Sie sahen, wie die Welle Patong überflutete, das Restaurant, in dem sie morgens noch gesessen hatten, verwüstete.

Strandliegen, Sonnenschirme, entwurzelte Bäume, alles riss die Tsunami mit sich.

Birgit Werner schoss Fotos, bis der Speicher der Digitalkamera voll war.

Wolfgang registrierte es mit einem Blick; er würde die Fotos für die weitere wissenschaftliche Arbeit brauchen, aber das war weit weg, jetzt zählte nur, das eigene Leben gerettet zu haben.

Peter dachte daran, dass Bernd auf dem Weg zum Flughafen mit der Militäreskorte in Sicherheit war.

Wo war Nong?

* * *

Bernd sah es zuerst.

Er versuchte, den Leutnant und den Fahrer darauf aufmerksam zu machen.

“Flood Wave! Please leave the Beach Road!”

Der Militärpolizist neben ihm stupste den Ellenbogen gegen Bernds Rippen, was wohl bedeuten sollte:

“Klappe halten!”

“Kwaa, reo!*” schrie Bernd.

Der Soldat zu seiner Linken hob die Maschinenpistole ein Stück höher, wagte dann doch einen kurzen Blick zum Meer, erstarrte einen Moment und rief dann das Gleiche.

Der Wagen schoss um die Kurve, so dass Bernd beinahe hinaus geschleudert worden wäre.

Mit letzter Not konnte er sich festhalten.

Der Jeep raste in die Soi Bangla, Menschen sprangen schreiend zur Seite.

Niemand wagte einen Blick zurück, aber die Wasserwand musste direkt hinter ihnen sein.

Der Fahrer wich in einem halsbrecherischen Manöver einem Hindernis aus, verlor die Kontrolle über den Jeep und raste in einen Verkaufsstand.

Der Soldat auf dem Nebensitz war bereits vorher abgesprungen, Bernd und Leutnant Romken wurden auf den Gehweg geschleudert.

Der Fahrer hing über dem Lenkrad, niemand konnte ihm jetzt helfen.

Die Welle riss alles mit sich, was im Weg stand.

Das Gefährlichste war nicht einmal die Wucht des Wassers, die Bernd jetzt wie ein Schlag traf, sondern Möbel, Bauteile, sogar Autos wurden zu tödlichen Geschossen.

Das Wasser schwemmte ihn zum Offizier, der keine Reaktion zeigte.

Im letzten Moment sah Bernd, dass ein Motorrad direkt auf sie zuflog.

Er krallte seine Hände in die Uniformjacke und drehte sich um die Längsachse, das Motorrad wurde gegen den Jeep geschleudert, der mitsamt dem Verkaufsstand ein paar Meter weiter landeinwärts stand.

Bernd gelang es, seinen und den Kopf des Verletzten über Wasser zu bringen.

Der Jeep war vorhin ein ganzes Stück die Soi Bangla hinauf gefahren, so dass hier die Welle den größten Teil ihrer Kraft schon eingebüßt hatte.

Bernd war kein Experte wie Dr. Werner, konnte sich aber vorstellen, dass der jetzt einsetzende Sog beim Zurückströmen des Wassers auf keinen Fall ungefährlicher war.

Er versuchte deshalb, den leblosen Körper hinter einen Mauervorsprung zu ziehen.

Es gelang Bernd mit letzter Kraft.

Erschöpft lehnte er sich an die Mauer.

Wenn man einen Stein ins Wasser warf, bildeten sich mehrere konzentrische Ringe.

War es bei einem Seebeben genau so?

Wenn noch mehrere Wellen folgten, sollte er schleunigst weg von hier.

Bernd lud sich den Offizier auf den Rücken und hastete an Autowracks vorbei in Richtung der Rat U Thit Road.

Keine Sekunde zu spät, denn tatsächlich schoss eine neue Welle schmutzig-braunen Wassers landeinwärts und umspülte schon die Knie.

Bernd bekam Hilfe von unerwarteter Seite.

Sein Bewacher tauchte ohne Waffe und mit dreckverschmierter Tarnuniform plötzlich vor ihm auf und packte mit an.

Gemeinsam schleppten sie den Leutnant bis zur nächsten Kreuzung.

An ihnen vorbei liefen verstörte Touristen und Thais.

Ein Pick-Up hielt an, auf dessen Ladefläche schon zwei Verletzte lagen, umringt von Verwandten oder Freunden, die offensichtlich mit dem Schrecken davon gekommen waren.

Bereitwillig rückten alle enger zusammen und nach wenigen Minuten erreichten sie die Rampe der Notaufnahme des Patong Hospital.

Ein Mitarbeiter regelte den Verkehr, denn im Sekundentakt wurden hier aus privaten Fahrzeugen und gelegentlich auch Ambulanzen mit Blaulicht Schwerverletzte in den Vorraum getragen.

Bernd sah, wie Leutnant Leekpai Romken auf eine Trage gehoben und sofort in einen der großen Behandlungssäle geschoben wurde.

Der Militärpolizist kam mit einer Krankenschwester zu Bernd, der sich gerade in einen der festgeschraubten Plastikstühle fallen ließ.

Die Krankenschwester schob das linke Hosenbein hoch und jetzt erst bemerkte auch Bernd, wie stark er blutete.

Irgendetwas Scharfkantiges musste ihn gestreift haben.

Die Wunde wurde desinfiziert und verbunden und die Schwester hatte in all dem Chaos noch Zeit für ein Lächeln.

“Khop khun krab”, sagte Bernd.

Der Soldat brachte ihm in einem spitz zulaufenden Pappbecher Wasser, den Bernd mit seiner zitternden Hand beinahe zerdrückt hätte.

Im unter der Decke aufgehängten Fernseher wurden erste Bilder von der Katastrophe gezeigt.

Wasser - welche zerstörerische Kraft dahinter steckte, aber es war auch lebensnotwendig.

Bernd nahm einen Schluck.

Wie war es Lek, Peter, Wolfgang und Nong ergangen?

Hatten sie überlebt?


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* "Nach rechts, schnell!"

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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#34 von MadMovie , 15.12.2009 06:00

Fortsetzung Kapitel 21[/size]

Lek war mit einem Minibus zu ihrer Wohnung gefahren, schaltete den Fernseher ein und warf sich aufs Bett.

Sie konzentrierte sich nicht auf die Telenovela, sondern dachte an Bernd.

Wie würde es weiter gehen?

Dieser breitschultrige Mann gefiel ihr, aber gab es eine gemeinsame Zukunft?

Sie würde ihn im März in Deutschland besuchen.

Lek hörte von unten schreiende Menschen und sprang ans Fenster.

Die Strasse war von Wasser überflutet. Ein Rohrbruch?

Nein, dafür war es zuviel.

Sie war hier oben in ihrer Wohnung im zweiten Stock relativ sicher und fliehen konnte sie jetzt nicht mehr.

Lek klappte das Handy auf und wählte Bernd’s Nummer., aber er meldete sich nicht.

* * *

Peter wollte am liebsten sofort wieder vom Hügel runter, aber Wolfgang hielt ihn zurück.

“Es kommen noch zwei Wellen, Peter!” warnte er.

Dr. Werner behielt leider Recht.

Erst als das Wasser endgültig zurück gewichen war, zeigte sich ihnen das ganze Ausmaß der Zerstörung.

“Oh, mein Gott!” stöhnte Birgit Werner und schlug die Hand vor den Mund.

“Ich will meine Kumpels suchen!” knurrte Thomas.

“Sag mal, Thomas Reiter, so wie der deutsche Astronaut?” fragte Peter und spürte im selben Moment, wie absurd die Frage zu diesem Zeitpunkt war.

“Ich bin nicht mal mit dem verwandt, soweit ich weiß.”

Thomas bedachte Peter mit einem schiefen Blick.

Sie machten sich zu Fuß auf den Weg zurück nach Patong Beach, weil der Minibus, eingekeilt von anderen Fahrzeugen, nicht wenden konnte.

Schon bald stießen sie auf einen Wachposten der Militärpolizei.

Die waren eigentlich hier, um die Suche nach Nong zu unterstützen, aber jetzt war der Katastrophenfall eingetreten und als erste Maßnahme wurde die Beach Road gesperrt, um Tote und Verletzte bergen zu können.

“Stopp!” rief der Wachposten.

Peter drängelte sich vor und verwies auf Rangsan Saithong, was den Soldaten herzlich wenig interessierte.

Als Peter behauptete, er wäre der zukünftige Schwiegersohn von General Pittayarat, wurde der Wachposten ein wenig verunsichert.

Was wäre, wenn dieser aufmüpfige Farang wirklich Recht hatte?

“Ich muss Göran suchen!” murrte Susann Werner.

Der Militärpolizist ließ die kleine Gruppe passieren und sperrte danach sofort wieder die Strasse.

Restaurant und Eingangsbereich des Hotels waren zerstört worden, aber das weiter hinten liegende Haus mit den Gästezimmern schien intakt zu sein.

Birgit, Peter und Wolfgang boten ihre Hilfe bei der Erstversorgung von Verletzten an.

Thomas und Susann machten sich auf die Suche nach ihren Freunden.

Susann machte schon nach zweihundert Metern schlapp.

Es war zu viel für sie.

Susann setzte sich auf einen entwurzelten Baum und wurde von Weinkrämpfen geschüttelt.

Thomas nahm sie in den Arm.

“Wir finden unsere Freunde, glaub mir.”

* * *

Die Tsunami zerstörte nicht alles.

Koh Khai, die idyllische Insel mit den scharfkantigen Felsen blieb weitgehend verschont.

Die Welle verwüstete Koh Phi Phi Don und raste weiter - auf dem gemächlich dahin schippernden Fischkutter ahnte man davon nichts.

Der Mann aus Bangkok am Steuerruder kannte diese Gewässer nicht und verließ sich auf eine Seekarte.

Er navigierte zu nahe an Koh Poda Nai heran, viel zu nahe.

Der Fischkutter wurde plötzlich gegen ein Riff geschleudert und regelrecht zerfetzt von der Wucht des Aufpralls.

Nong war kurz eingenickt und wurde von einem Schwall Meerwasser geweckt.

Das Schiff sinkt! durchfuhr es sie.

Binnen weniger Sekunden war sie unter Wasser und versuchte, durch das große Leck zu entkommen.

Nong wurde durch einen Strudel nach unten gezogen und war sich sicher, das nicht zu überleben.

Sie öffnete den Mund und salziges Meerwasser drang in ihre Lunge.

Mit letzter Lebenskraft strampelte sie sich nach oben und wurde von der nächsten Welle auf den Strand geworfen.

Sie hatte ein Gemisch aus Salzwasser und Sand im Mund, doch davon spürte Nong nichts mehr...


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#35 von MadMovie , 16.12.2009 07:00

Kapitel 22[/size]

Der Militärpolizist kam durch die Schwingtüren zurück und drückte Bernd den nassen, fleckigen Reisepass in die Hand.

Den hatte ja der etwas übereifrige Leutnant Romken einkassiert, erinnerte sich Bernd.

“Und, wie geht’s ihm?”

“Er wird durch kommen, sagen die Ärzte.”

Eine unausgesprochene Frage stand noch im Raum und auch der Soldat wirkte ein wenig verlegen.

Sie konnten hier nicht bleiben.

Der Vorraum der Notaufnahme war gedrängt voll.

Sie stiegen über abgesetzte Tragen nach draußen und liefen die Rampe herunter.

Der Soldat nestelte eine völlig durchweichte Packung Zigaretten aus der Uniformjacke und zuckte mit den Schultern.

Bernd tastete nach den Moods und warf die matschige Schachtel in einen Papierkorb.

Beide grinsten sich an.

“Ich weiß nicht, warum man dich des Landes verweisen wollte, aber eines weiß ich: Du hast Mut und meinem Vorgesetzten das Leben gerettet!”

“Wie heißt du?” fragte Bernd.

“Daeng. Und du?”

Bernd sagte seinen Namen.

Ein Militärjeep kurvte die Betonrampe herauf und ein verletzter Armeeangehöriger wurde in die Notaufnahme gebracht.

Daeng wechselte ein paar Worte mit einem Unteroffizier und winkte Bernd, er solle einsteigen.

“Wir bringen dich zur provisorischen Kommandozentrale in Na Nai, dort ist auch der zivile Koordinator, Khun Rangsan”, rief Daeng gegen den Fahrtwind.

Auf dieser Strasse im Landesinneren herrschte dichter Verkehr, weil die Thavee Wong Road gesperrt war, erfuhr Bernd vom Fahrer.

Die Soldaten behandelten ihn überaus freundlich, gaben ihm eine Zigarette und Feuer.

Offenbar war Leutnant Romken ein strenger, aber sehr beliebter Offizier bei den Mannschaftsgraden.

Der Jeep kam in einer Staubwolke vor einem flachen Gebäude zum Stehen.

An einem Fahnenmast flatterte die thailändische Nationalflagge im Wind.

Rangsan Saithong hatte einen Telefonhörer an dem einen und ein Sprechfunkgerät am anderen Ohr.

Er beendete beide Gespräche und musterte Bernd.

Dann sagte er nachdenklich:

“Der Flughafen ist immer noch gesperrt, wird den Betrieb aber bald wieder aufnehmen. Die Ausweisung ist natürlich nicht außer Kraft gesetzt, nur weil eine Naturkatastrophe stattgefunden hat! Ich habe neue Instruktionen erhalten und muss mich jetzt praktisch um alles kümmern.”

Der Soldat Daeng erstattete einem Hauptmann Bericht, worauf der Offizier in das Kommunikationszentrum ging und mit Khun Rangsan sprach.

Der Hauptmann schüttelte Bernd die Hand, weil das bei den Farangs so üblich war.

“Die Armee und die Familie Romken werden ihnen immer dankbar sein, Khun Bernd!”

Ein Nachrichten-Unteroffizier hatte gerade wieder Funkkontakt mit einem der Hubschrauber im Osten.

“Man hat sie gefunden”, rief er in den Raum, “auf Koh Poda Nai!”

“Nong? Wie geht es ihr?” fragte Bernd atemlos.

Der Unteroffizier machte ein bedrücktes Gesicht.

“Man weiß nicht, ob sie den Transport überlebt!”


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#36 von MadMovie , 17.12.2009 07:25

Kapitel 23

Am Domestic Airport trennten sie sich von Thomas, der seine Kumpels umarmte, die schon einen Tag früher nach Bangkok geflogen waren.

Familie Werner war in Patong geblieben.

Birgit und Wolfgang halfen, wo immer es nötig war.

Birgit Werner telefonierte mit ihren Freundinnen in Hamburg und organisierte ein Hilfsprojekt für thailändische Familien, die alles verloren hatten.

Susann Werner fuhr von einem Krankenhaus auf Phuket zum nächsten, studierte die Pinnwände, fragte nach, fand aber keine Spur von Göran Eriksson.

Bernd war der Rummel um seine Person peinlich geworden.

Er arbeitete früher immer im Verborgenen, um am Ende festzustellen, dass er seine ganze Energie für ein marodes, dem Untergang geweihtes totalitäres Regime verschwendet hatte.

Lek war unermüdlich darin, seine “Heldentat” medienwirksam auszuschlachten, und er hasste sie beinahe dafür.

Sogar vor dem Militärkrankenhaus in Bangkok lief er wieder durch ein Blitzlichtgewitter.

Die Familien Pittayarat und Romken waren sehr einflussreich, das spielte sicher auch eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Udai und Bernd setzten sich auf die Plastikstühle im Gang, der zur Intensivstation führte.

“Gibt es etwas Neues aus Patong?” fragte Bernd.

“Man hat am Pool des Seagull Hotels eine männliche Leiche gefunden, die nicht identifiziert wurde. Der Beschreibung nach könnte es aber McCormick sein.”

“Hatte er eine Waffe dabei?”

“Die fand man fünf Meter weiter.”

“Er lauerte uns also auf und hat es mit dem Leben bezahlt”, sagte Bernd leise.

Lek kam aus der Fahrstuhltür, setzte sich neben Bernd und ergriff seine Hand.

“Hast du die Paparazzi endlich weg gescheucht? Ich mag den Presserummel nicht, das weißt du”, sagte Bernd müde.

“Sie sind weg, Tirak.”

“Entscheidend war wohl, dass der junge Mann, der neben Nong gefunden wurde, obwohl selbst verletzt, sie wiederbelebt hat”, sagte Udai, der ansonsten stumm vor sich hin brütete.

Die Schwingtüren wurden aufgestoßen und Peter war in seiner Verkleidung nicht von den behandelnden Ärzten zu unterscheiden.

Er streifte den Mundschutz herunter und ließ sich in einen der Plastik-Halbschalensitze fallen.

Niemand bestürmte ihn mit Fragen, denn alle wussten, wie schlecht es Nong ging.

“Sie ist aus dem Koma erwacht!”

Bernd stemmte sich aus dem Sitz und hinkte zu Peter, um den Freund zu umarmen.

“Die schlechte Nachricht ist, dass die Sandpartikel in ihrer Lunge zu einer Lungenentzündung führen werden. Sie muss noch mehrere Wochen hier bleiben.”

“Sie schafft es”, sagte Udai.

Bernd humpelte zur Caféteria, um am Automaten einen Becher Kaffee zu zapfen, da fiel sein Blick auf den Zeitungsständer.

Eine Schlagzeile erregte seine besondere Aufmerksamkeit:

“Bauunternehmer Potaram unter Beschuss!”

Ein anderer Bauunternehmer, der sich wohlweislich nach Singapur abgesetzt hatte, behauptete, dass Potaram illegale Preisabsprachen bei Angeboten getroffen hatte, Steuern hinterzog und Gewinne in zwielichtige Unternehmungen steckte.

Bernd zuckte mit den Schultern.

Was sollte dabei schon heraus kommen?

Der andere Mann würde sein Gesicht verlieren und müsste zudem noch Bodyguards bezahlen.

Er faltete die Zeitung zusammen und machte sich zurück auf den Weg zur Intensivstation.

Bernd hoffte, dass Pairat auf dem Weg von Krabi nach Koh Poda Nai ertrunken war, aber sicher war das nicht.


ENDE

 
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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#37 von thai.fun ( Gast ) , 24.12.2009 17:35

Welche Freude diese Geschichte doch noch fertig lesen zu können.
War echt kurz-weil und im nächsten leben werde ich Detektiv....

Danke und auf bald wieder eine Geschichtsfolge von Dir?

t.f

thai.fun

   

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