Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#1 von MadMovie , 06.11.2009 16:37

Für alle, die es aus anderen Foren noch nicht kennen, starte ich heute wie versprochen "Abenteuer in Thailand - Auf der Suche nach Nong".
Die Geschichte habe ich 2006 geschrieben (der Handlungszeitraum ist Herbst/Winter 2004). Ich habe die Idee zu einer Fortsetzung im Kopf, werde aber die bisherigen Notizen kaum verwenden, weil sich die Idee wieder geändert hat...

Viel Spaß beim Lesen!

@ Scubath

Jan, Kommentare und Kritiken bitte in einen extra thread verschieben! Danke!

 
MadMovie
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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#2 von MadMovie , 06.11.2009 16:41

Abenteuer in Thailand - Auf der Suche nach Nong[/size]

Kapitel 1

Peter knallte die Tür hinter sich zu. Er war wütend auf sich selbst.
Wie konnte das nur passieren? Er war sich keiner Schuld bewusst.

Vor einer Minute hatte er den Computer herunter gefahren, das Licht gelöscht und abgeschlossen.

Jetzt war er auf dem Weg in eine der urigen Berliner Eckkneipen, von denen es nicht mehr so viele gab.
Einige hatte in den letzten Jahren dicht gemacht.
Dafür gab es Internet-Cafés und türkische Gemüseläden wie Sand am Meer.

Peter schlug den Kragen seines Anoraks höher und zerrte am Reißverschluss.
Ihm wehte ein kalter Herbstwind entgegen, der die vergilbten Lindenblätter vor seinen Füßen aufwirbelte.

In “Walter’s Eck” tauchte er ein in das Stimmengewirr und der Wolke aus Zigarettenqualm.

Peter hob nur zwei Finger, als er sich am Tresen vorbei drängelte und nickte dem Wirt Walter freundlich zu.

In einer Ecke hockte ein mürrischer Mann, der seine schwarze Lederjacke nicht abgelegt hatte und mit einem Zigarillo der Marke Moods spielte.

“Steck’ es wieder ein, Bernd, du wolltest das Rauchen doch aufgeben!” rief Peter seinem alten Kumpel zu.

Er hängte den Anorak an einen Haken und dachte daran, dass er das gute Stück wieder eine ganze Nacht auf dem Balkon würde lüften müssen.

“Gibt es was Neues? Hast du etwas heraus gefunden?”

“Wir warten”, knurrte der Angesprochene und strich sich mit der linken Hand durch das kurz geschnittene graue Haar.
Mit der rechten hätte er beinahe das Zigarillo zerbrochen.
Jetzt holte er ein Feuerzeug aus der Hosentasche und zündete umständlich den Glimmstängel an.

“Du bist wieder mal geradezu ein Musterbeispiel für Kommunikation und Kooperation. Worauf warten wir eigentlich?”

“So, ihr zwee, vielleicht heitert euch det ja of”, sagte Walter grinsend und stellte zwei kühle Blonde auf den Tisch.
Der Wirt wusste natürlich Bescheid, denn Peter war mit i h r auch hier einmal gewesen.

“Zum Wohl, Peter - oder sollte ich besser chock dii sagen?”

Bernds mürrisches Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen.

In Augenblicken wie diesem hätte Peter ihm am liebsten die Freundschaft gekündigt, aber er wusste genau, was sein Freund wert war und er war sich ziemlich sicher, dass Bernd auch heute wieder ein Ass im Ärmel hatte.
Beide wischten sich den Schaum von der Oberlippe.

Die Tür wurde aufgestoßen und es wurde schlagartig ruhig in der schummrigen Kneipe, als ein kleiner, drahtiger Mann mit randloser Brille und unstetem Blick herein huschte.

Manch einer kann sich ein Eisbärenfell umhängen, man würde dennoch seinen Beruf erraten, dachte Peter.

“Das ist Hauptkommissar Wagner von der Berliner Kripo. Er wird uns auf dem Laufenden halten”, sagte Bernd förmlich.

“Mein Name ist Dieter”, sagte der Kripo-Mann freundlich an Peter gewandt. “Ich habe nicht viel Zeit, aber ich schulde Bernd noch einen Gefallen.”

Der Wirt brachte noch ein Bier und der Kommissar wollte erst abwehren, ließ sich aber dann doch von Bernd überreden, mit zu trinken.

“Eigentlich hätte ich Sie schon längst vorladen müssen, aber wir haben so viele Fälle am Hals...”

“Ich heiße Peter.”

“Also gut, Peter, ich hätte dich vorladen müssen. Jetzt erzähl’ mal von Anfang an. Ich bin auch privat interessiert.”

“Inwiefern?” hakte Peter nach.

“Ich war schon zweimal in Thailand, allerdings mit der eigenen Ehefrau”, fügte der Kripo-Beamte schmunzelnd hinzu. “Ich mag Land und Leute.”

“Preisausschreiben: Erster Preis - eine Reise nach Thailand, letzter Preis - eine Reise nach Thailand mit Ehefrau!” witzelte Bernd, womit er sich einen tadelnden Blick von Peter einhandelte.

“Nun, da hast du uns etwas voraus, Dieter”, sagte er.

“Was, du warst noch gar nicht dort?” Hauptkommissar Wagner riss die Augen hinter den Brillengläsern auf.
“Da bin ich aber mal auf deine Geschichte gespannt.”

Peter schaute in die Runde. An der Theke wurde immer noch über den Fremden getuschelt.
Die beiden Männer an seinem Tisch sahen ihn erwartungsvoll an, obwohl Bernd ja die Story kannte.

“Ich bin freischaffender Journalist und arbeitete an einer Recherche über Partnervermittlungen, bin da auch auf einige Ungereimtheiten gestoßen, aber keine Redaktion hat sich so recht dafür interessiert. Aber mich ließ das nicht mehr los...”

“Du hast dich in die süßen Mäuse, das heißt, in die Fotos verguckt”, erläuterte Bernd in seiner poltrigen Art.
Strafende Blicke der beiden anderen.

“Ich landete in einem internationalen Chat-Room. Mir war als Journalist natürlich klar, dass ich hier nicht bei einem kurzen Plausch von einer fremden jungen Frau sofort die ganze Wahrheit erfahren würde.”

“Dieter hat nicht die ganze Nacht Zeit,” knurrte Bernd und bestellte noch drei Bier.

“Also gut, machen wir es kurz. Es ging gar nicht mehr um die Recherche. Ich wollte eine Frau kennen lernen und hierher einladen, was ja auch geklappt hat.”

“Darf ich mal kurz unterbrechen?”, fragte der Hauptkommissar.
“Wir haben die Identität natürlich überprüft. Inzwischen liegen auch die Antwort-Emails der thailändischen Polizei und des Landwirtschaftsministeriums in Bangkok vor.”

Die Spannung war körperlich spürbar.
Peter hatte sich sogar ein paar Millimeter von seinem Stuhl erhoben.

“Die Dame ist absolut echt.”
Der Hauptkommissar brach sich bei dem thailändischen Namen fast die Zunge.
“Äh, also Nong. Nur ist sie dort im Ministerium nicht als Sekretärin beschäftigt gewesen, wie Bernd mir sagte, sondern hatte wohl eine höhere Position.”

“Das überrascht mich ehrlich gesagt nicht”, sagte Peter ruhig, obwohl sein Herz hämmerte.
Er blickte wieder mal in fragende Gesichter.

“Nun ja, ihr Englisch war fast perfekter als meines, das deutete auf ein abgeschlossenes Studium hin. Warum sie Understatement betrieb und sich als Sekretärin ausgab, weiß ich nicht.”

Jetzt war Nong seit sechs Tagen spurlos verschwunden und Peters Gedanken eilten zwei Wochen zurück...


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#3 von MadMovie , 08.11.2009 02:03

Kapitel 2[/size]

Peter stand am Flughafen Tegel, beobachtete das Gewimmel und wunderte sich wieder einmal, wie schnell alles gegangen war. Für seinen Geschmack zu schnell, aber die Frau war in Ordnung, die wollte nur mal eine andere Kultur kennen lernen und wenn es sich so ergab, den Mann fürs Leben.

Wie konnte er sich da so sicher sein? Was bewegte diese Frau wirklich? Materielle Sicherheit? Wohl eher nicht, sie hatte für thailändische Verhältnisse ein sehr gutes Gehalt, arbeitete bei einer staatlichen Behörde.

Peter schaute auf das Foto. Es zeigte eine lächelnde junge Frau von etwa 30 Jahren mit wallendem langem Haar, das nicht, wie bei den meisten Asiatinnen, glatt auf den Rücken fiel, sondern gewellt war.

Nong war nicht nur hübsch, sondern auch ausgesprochen intelligent, was so manchen Mann abschrecken würde, aber nicht ihn. Peter hatte noch nie von einer deutschen Frau so witzige und gleichzeitig intelligente Emails erhalten.

Er steckte das Foto wieder ein und blickte zum Monitor.
Nur noch ein paar Minuten bis zur Landung des Fliegers aus Wien.

Neben ihm hatten sich ein paar Männer versammelt, die offensichtlich auch auf ihre Frauen oder Freundinnen aus Thailand warteten, wie er den Gesprächen entnehmen konnte. Einige hatten sogar Kinder an der Hand oder auf dem Arm.

Dann kamen die ersten Fluggäste, unter ihnen auch Thailänderinnen, die den wartenden Männern um den Hals fielen.

Peter glaubte schon, Nong hätte den Anschlussflieger verpasst, da kamen noch zwei und sein Herz klopfte schneller.
Alles war bisher wie in einem Liebesroman problemlos gelaufen.
Kein Stress mit den Behörden, weder bei der Verpflichtungserklärung noch bei der Visa-Ausstellung in Bangkok.

Sie wirkte noch zerbrechlicher und zierlicher als auf den Fotos, überragte aber ihre schnatternde Reisegefährtin um mindestens zehn Zentimeter.

Peter machte einen Wai, wie er es gelesen hatte und Nong stellte ihre Begleiterin Noi vor, als würden sie sich schon viele Jahre kennen.
Noi verabschiedete sich und eilte zu ihrem Freund.

Peter hängte Nong eine Jacke mit Pelzbesatz um die schmalen Schultern.

“For me?” freute sie sich.

“It’s cold outside, fall in Germany.”

Sie gingen zu seinem Auto, das in der Tiefgarage abgestellt war und das Gepäck wurde vom Trolley in den Kofferraum des alten BMW geladen.

Nong wirkte überhaupt nicht unsicher, behandelte ihn wie einen uralten Freund, vielleicht sogar noch eine Spur herzlicher - oder bildete er sich das nur ein?

Das Eis war endgültig gebrochen, als sie seine Wohnung betrat und den sitzenden bronzenen Buddha bemerkte.
Peter hatte sogar Räucherstäbchen gekauft.
Nong hauchte “Thank you!”

Sie verbrachten unbeschwerte Tage, besichtigten alles vom Brandenburger Tor bis zur East Side Gallery und dem Checkpoint Charlie.
Was war nun ungewöhnlich gewesen? Gab es einen Grund für ihr plötzliches Verschwinden?

Hm, sie schloss die Badtür immer sorgfältig ab und zeigte sich nur vollständig bekleidet.
Das war an sich nicht Ungewöhnliches, Peter dachte sich nichts dabei. Vielleicht sind Thailänderinnen so schüchtern, es sei denn, sie arbeiten in einem speziellen Servicebereich in einem Touristenzentrum.

Ungewöhnlich war vielleicht, dass sie sich sofort häuslich eingerichtet hatte und Peter schon am zweiten Tag höflich anfragen musste, ob er mal wieder sein Telefon und den Computer benutzen durfte.
Er hatte auch den Verdacht, dass sie nicht nur mit Bangkok telefonierte, wenn sie endlose Gespräche auf Thai führte. Woher kannte sie all die Leute in Berlin?

Am Abend, nach dem Nong den kauzigen Bernd kennen gelernt hatte, der nach zwei Bier überaus charmant sein konnte, waren sie sich näher gekommen. Als Peter nach heißen Küssen mehr wollte, wehrte sie ab.

“Know you only three days, please give me time!”

Dann kam der Tag, als Nong nur für fünf Minuten zu einem Asia-Shop wollte, um etwas zum Abendessen zu kaufen. Sie waren bisher immer in Restaurants unterwegs gewesen, aber an diesem Abend wollte sie selbst den Kochlöffel schwingen und Peter freute sich schon darauf.
Nach einer halben Stunde war sie nicht zurück und er machte sich auf die Suche. Aber überall, wo er nachfragte, erntete er nur ein Kopfschütteln.

Sie war nirgendwo gesehen worden, wie vom Erdboden verschluckt.

“Was haben Sie, äh, was hast du dann unternommen?” riss ihn Hauptkommissar Wagner aus seinen Erinnerungen.

“Ich habe mich mit Bernd getroffen. Er wusste als Privatdetektiv am besten, was zu tun ist.”

Bernd nippte an seinem Bier.
“Ich bin mit ihrem Foto durch die Thairestaurants, Music-Cafés und Asia-Shops gezogen, ohne Erfolg. Die Mädels machten alle nur grosse Augen. Ein Dolmetscher wäre vielleicht hilfreich gewesen, ich weiß nicht.”

“Das wäre eigentlich unsere Aufgabe gewesen”, tadelte ihn Hauptkommissar Wagner.

“Ein bisschen Hilfe kann ja nicht schaden”, verteidigte sich Bernd.

Viele bei der Berliner Polizei wussten, was Bernd früher gemacht hatte und sein Eingreifen in laufende Ermittlungen wurde meist nicht gern gesehen.
Auch Wagner war schon zu seinem Vorgesetzten bestellt worden, weil er Informationen von Bernd bezogen hatte.

“Halten wir mal fest, was wir bisher wissen.” Dieter Wagner war jetzt wieder ganz preußischer Beamter.
Er schob das Bierglas von sich, so dass es fast überschwappte.

“Eine junge Thailänderin aus einem gesicherten sozialen Umfeld kommt nach Deutschland, um Land und Leute und einen Mann kennen zu lernen. Es gab keine Differenzen und keinen Streit, stimmt’s?”

Er blickte Peter mit hoch gezogenen Augenbrauen fragend an.
Peter nickte ihm zu.

“Die Dame zeigte sich sehr kommunikativ.”

Der Hauptkommissar holte umständlich einen gefalteten Zettel aus der Innentasche seines Jacketts.

“Einzelverbindungsnachweis. Viele Telefonnummern in Berlin und Bangkok, die wir noch nicht überprüft haben.”

Wagner zog das Bierglas wieder zu sich und nahm einen tiefen Schluck.
“Eigentlich gibt es keinen Grund für ihr Verschwinden, es sei denn, sie hatte das lange geplant.”

“So schlau sind wir auch, Meesta!” polterte Bernd.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#4 von MadMovie , 08.11.2009 16:38

Kapitel 3[/size]

Peter winkte der Wirt Walter herbei und zahlte die Zeche.

In der klaren, kühlen Luft dieses Spätherbstabends atmeten sie tief durch.

“Wie nun weiter?” seufzte Peter.
Es war mehr Resignation, ein Eingeständnis der eigenen Erfolglosigkeit, als eine Frage an die beiden anderen Männer.

Er hatte gehofft, mit seiner Hartnäckigkeit als Journalist, dem Spürsinn seines Freundes Bernd und dem ganzen Apparat der Berliner Kripo wäre es ein Klacks, seine Freundin binnen ein, zwei Tagen wieder zu finden.

Hauptkommissar Wagner wurde wieder amtlich.

“Auf keinen Fall Alleingänge von euch beiden! So lange die Möglichkeit besteht, dass sich die Vermisste in Berlin oder irgendwo in Deutschland befindet, ist es unsere Aufgabe, zu ermitteln. Habe ich mich klar ausgedrückt?”

“Jawoll, großer Häuptling, du hast gesprochen, hugh, und wir haben verstanden!”

Bernd knallte wie ein preußischer Grenadier die Hacken zusammen und nahm Haltung an.

“Ist der immer so drauf?” fragte Dieter Wagner und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Eigentlich war er ja außer Dienst und wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.

“Nach drei Bier wird es schlimmer.”

Peter winkte mit einer lässigen Handbewegung ab.

“Jetzt hätte ick aber Appetit off’n Magenbitter, ick hoffe, du hast noch was im Kühlschrank?”

Wenn Bernd etwas getrunken hatte, verfiel er in den Dialekt der Hauptstadt, obwohl er aus Templin stammte.
Er war mit der kleinen Tochter des Pfarrers Kasner * über Zäune geklettert und hatte sich dabei die Hosen zerrissen.

Mit dem jetzigen russischen Präsidenten hatte er Wodka getrunken.

Bernd prahlte damit nie herum, es war einfach Teil seines bunten Lebens.

Was er gerade gesagt hatte, war Code-Sprache zwischen den beiden Freunden und sollte heißen:

In deiner Wohnung bereden wir den Schlachtplan für die nächsten Tage!

Dieter Wagner verabschiedete sich und drehte sich nach zwei Metern noch einmal um:

“Wenn es eine Spur nach Thailand gibt, sagt Bescheid, bevor ihr abfliegt!”

Er hob die Hand und stiefelte zur nächst gelegenen U-Bahn-Station Hermannstrasse.

“Det Männeken verheimlicht uns irjend wat!” Bernd kratzte sich am stoppeligen Kinn.

Hauptkommissar Wagner stieg die Treppen zur U-Bahn-Station hinab und überlegte, warum wohl in diesem Fall die Botschaft des Königreiches Thailand schon zweimal bei seinem Vorgesetzten angerufen hatte, um sich nach dem Fortschritt der Ermittlungen zu erkundigen.

Bei zwei ähnlichen Fällen, als junge thailändische Staatsbürgerinnen in Berlin verschwanden und im Rotlichtmilieu von Frankfurt am Main wieder auftauchten, war das Desinteresse offenkundig gewesen.

Peter und Bernd stiefelten in Richtung Tempelhof zur Wohnung von Peter.

“In welchem Dienstbereich arbeitet der Dieter überhaupt?”

“OK, organisierte Kriminalität!”

Peter schloss die Tür auf und Bernd drängte ihn fast an die Wand in dem schmalen, quadratischen Flur.

“Nüscht wie rin die jute Stube! Hier isset wenigstens warm!”

Peter brachte den qualmdurchtränkten Anorak zum Lüften auf den Balkon, weit von sich haltend, als wäre es Sondermüll.

Dann eilte er in die Stube. Ich Trottel, schalt er sich selbst, bei neunzig Minuten Abwesenheit hätte ich den Computer gar nicht erst herunter fahren müssen.

Das würde wieder eine Weile dauern bei all den Programmen im Menü Start.

Bernd wirtschaftete in der Küche herum, was Peter weiter nicht störte, denn der fühlte sich hier immer wie zu Hause.

“Sach mal, Peter, hattest du damals bei deiner Artikelserie über den BND nicht auch was über Thailand heraus gefunden?”

Er klapperte mit den Schubladen.

“Wie kommst du jetzt denn darauf, ist doch ewig her”, rief er aus der Stube, vor dem flackernden Monitor des Computers sitzend.

Bernd brachte zwei Biergläser und zwei Flaschen, deren Kronenkorken er bereits in der Küche aufgehebelt hatte.

“Ich erinnere mich nur an die 283 ABC-Schutzausrüstungen, die eine Tarnfirma des BND an die thailändische Armee geliefert hat **. Ich verstehe aber den Zusammenhang nicht, manchmal sprichst du in Rätseln!”

“Ick verstehe den Zusammenhang ooch noch nicht, ick brauche was, das mein Denkvermögen steigert. Wo steht denn nu der Kräuterschnaps, im Kühlschrank isser nich!”

“Auf dem Balkon!” rief er Bernd hinterher.

Inzwischen war der Computer hoch gefahren und Peter startete sofort die Internet-Verbindung, um auf die eigens eingerichtete Webseite “Wo ist Nong?” zu kommen.

Peter hatte in vier verschiedenen Thailand-Internet-Foren Links zu dieser Webseite platziert und hoffte nun auf erste Reaktionen.

Bernd hatte Bier und Likör eingegossen und prostete seinem Freund zu, der sich die Brille aufgesetzt hatte und auf den Monitor starrte.

Wie geistesabwesend nahm er einen Schluck Bier, als Bernd ihm das Glas reichte, und wechselte dann zu seinem Email-Postfach.

“Wat is denn nu?” maulte Bernd, der von seiner stehenden Position aus kaum etwas erkennen konnte.

“Volltreffer! Sie wurde acht Mal gesehen!” jubelte Peter.


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* Angela Merkel geb. Kasner ist in Templin aufgewachsen
** P. F. Müller/M. Mueller: Gegen Freund und Feind, Rowohlt Verlag, 2002, S. 592 f.

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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#5 von MadMovie , 09.11.2009 04:42

Kapitel 4[/size]

Sie versuchte sich dagegen zu wehren, aber die Angst kroch immer wieder in kalten Schüben an ihrem Rücken empor.

Wenigstens hatte das Zittern nach gelassen, als sie sich in Meditation versenkt hatte.

Nong horchte auf das Poltern, die sich verändernden Fahrgeräusche, wenn der Straßenbelag wechselte. Nach einer Stunde war ihr klar gewesen, dass sie vermutlich das Stadtgebiet von Berlin verlassen hatten.

Sie war noch nicht lange genug da, um zu ermessen, wie groß diese Stadt wirklich war. Es war nur so ein Gefühl. Sie spürte nur das Rütteln.

Sie hockte gefesselt und geknebelt und mit verbundenen Augen in einem Metall-Container, der etwas mehr als einen Kubikmeter Rauminhalt hatte.
Man hätte Nong gar nicht die Augen verbinden müssen, es war stockfinster darin. Es gab nur ein zwei Luftlöcher, damit sie nicht erstickte.

Wieder spürte sie die Angst wie ein kaltes, kriechendes Reptil auf ihrem Rücken.

Sie schloss die Augen hinter der schwarzen Binde und schon nach einer Minute sah sie auf einem Hügel inmitten wunderschöner Blumen, die sie noch nie gesehen hatte, Buddha.

Er hob eine Hand und lächelte ihr zu.

“Dir wird nichts passieren, vertraue mir und dir selbst!” deutete Nong die Erscheinung.

Man hatte sie nicht geschlagen und nicht vergewaltigt, aber auch nicht gerade freundlich behandelt.

Sie hatte in undurchdringliche, asiatische Gesichter geblickt, junge Männer, die einen Job professionell erledigten, als sie in ein Auto gezerrt und betäubt wurde, vermutlich mit einer Spritze.
So genau konnte sich Nong nicht mehr daran erinnern.

Sie erwachte in einem Kellerraum aber schon nach zwei Stunden wurde sie in diesen Container gepfercht, wo sie nichts sehen und kaum atmen konnte.

Nong hatte bisher auf die Frage an sich selbst nach dem Warum keine befriedigende Antwort gefunden.

Man musste sie verwechselt haben! Sie war nicht bedeutend genug, um solch einen Aufwand zu rechtfertigen.

Und da waren ja noch Peter und sein verrückter Freund Bernd baa, die sicher gemeinsam mit der deutschen Polizei nach ihr überall suchen würden.

Nong’s Angst wich der Zuversicht, zuerst nur ein kleiner Lichtpunkt, aber jetzt spürte sie die Kälte im Rücken nicht mehr körperlich.

***

“Mann bist du naiv!” polterte Bernd. “Das ging schon damit los, dass du diese Thai-Tussi...” Bernd sah einen Hagel aus Giftpfeilen aus Peter’s Augen hervor schiessen und korrigierte sich sofort:

“Als du Nong, ohne sie vorher mal in ihrer Heimat besucht zu haben und ihre Angaben zu überprüfen, einfach nach Deutschland eingeladen hast. Wat rege ick mir eigentlich off!”

Bernd schenkte nach und reichte Peter das Bierglas.

“Die Friedenspfeife wird aber auf dem Balkon geraucht”, sagte Peter, versöhnlicher gestimmt.

“Gib mir mal eine!”

“Wat, du willst mit roochen? Ick gloobe, ick spinne! Du hast doch vor zwee Jahren offjehört!”

“Fange ich eben wieder an!”

Peter nahm den Computerausdruck mir auf den kalten Balkon, aber die Ecke war windgeschützt und man konnte es auch im Spätherbst aushalten.

“Keine leichte Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen”, sagte Peter, jetzt wieder ganz der kühle, recherchierende Journalist.

“Da sind immer Wichtigtuer, Spaßvögel und Trittbrettfahrer dabei”, bestätigte Bernd.

“Hier ist sogar ein Foto dabei."

Peter drehte sich zur Lampe, lief dann in die Stube, um eine Leselupe zu holen.

“Das ist sie nicht!” sagte er bestimmt.

“Ick habe etwas vergessen”, sagte Bernd und saugte am Filter seiner Moods.

Peter schaute seinen Freund fragend an.

“Die neugierigen Kieker in den Wohnungen gegenüber dem Asia-Shop! Da kieken immer welche aus’m Fenster, wenn’s kalt ist, eben durch die Scheibe!”

“Vielleicht hat Wagner seine Leute schon dahin geschickt”, gab Peter zu bedenken.

“Vielleicht aber ooch nicht!”


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#6 von MadMovie , 10.11.2009 01:57

Kapitel 5[/size]

Der weiße Kleintransporter französischen Fabrikats mit Berliner Kennzeichen sah nagelneu aus und erregte die Aufmerksamkeit der Zöllner an der Oder.

Auch nach der EU-Osterweiterung waren sie angehalten, verdächtige Autos zu kontrollieren, um den Schmuggel mit gestohlenen Fahrzeugen einzudämmen.

Die Zollinspektoren Reichert und Müller grüßten freundlich und ließen sich von den beiden jungen, polnischen Männern Fahrzeug- und Frachtpapiere reichen, um diese einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Alles schien in Ordnung zu sein.
Wichtige elektronische Bauteile sollten zu einer Firma nach Poznan gebracht werden.

Da bei den Papieren nichts auf eine Fälschung hindeutete, wollten sie nur noch einen kurzen Blick in den Laderaum werfen.

“Aufmachen!” befahl Zollinspektor Reichert und deutete mit dem Daumen nach hinten.

Jerzy, der mit dieser Fuhre zu einem Flugplatz ein paar tausend Euro verdienen würde, zeigte ein unbewegliches Gesicht, obwohl ihm der Hintern auf Grundeis ging.

Er wusste nicht, wie weit die Befugnisse der deutschen Zöllner gingen, vermutlich ziemlich weit.

Jerzy riss die Türen auf und deutete stumm auf den glänzenden Aluminiumcontainer.
Zollinspektor Reichert machte sich die Mühe und kletterte in den Frachtraum.
Er nestelte seine Brille aus der Brusttasche und prüfte das Siegel des Hauptzollamtes.

Er verharrte noch einen Moment, weil er glaubte, ein scharrendes Geräusch gehört zu haben.

Nong nahm an, sie war an ihrem neuen Ziel, wo immer das auch war, angelangt.
Jeden Moment erwartete sie, aus diesem Blechsarg befreit zu werden.
Um ihre Entführer nicht zu provozieren, verhielt sie sich ruhig, streckte nur die Beine ein wenig.

Reichert kletterte wieder aus dem Fahrzeug. Irgend etwas stimmte hier nicht.

Sein Instinkt trog ihn selten, weshalb sein Team auch die meisten beschlagnahmten Drogen vorzuweisen hatte.

“Wo ist denn unser geschätzter Kollege Kaiser mit Rex?” fragte Reichert.

Rex war der erfolgreichste und beliebteste Spürhund an der polnischen Grenze und man hatte ihn nach einer Fernsehserie benannt.

“Mittagspause!” sagte Müller, dem auch der Magen knurrte.

Reichert schaute auf seine Armbanduhr. Kurz nach Zwölf!

Was machte es für einen Sinn, die beiden Polen hier mehr als eine halbe Stunde festzuhalten, wenn alle Papiere in Ordnung waren?
Reichert winkte sie durch.

Eine junge Mitarbeiterin nahm zehn Minuten später einen Anruf vom Landeskriminalamt Berlin entgegen, einen weißen Transporter mit dem Kennzeichen B ... keinesfalls passieren zu lassen und das Fahrzeug so lange zu bewachen, bis die Einsatzkräfte der Polizei da waren.

* * *

Erna Mischke lebte seit fast siebzig Jahren hier im Kiez und ihr entging nichts.

Sie schaute aus dem Fenster oder machte die Hausordnung, auch wenn sie gar nicht dran war, um ja nichts Aufregendes zu verpassen.

Sie war bei den Mietern nicht gerade beliebt, weil sie sich in alles einmischte, über jeden her zog und jeden Klatsch in Windeseile verbreitete.

Bernd hielt ihr kurz einen Ausweis unter die Nase, den er selbst entworfen hatte und der denen von Ermittlungsorganen täuschend ähnlich sah.

Erna Mischke betrachtete das Foto von Nong und kratzte sich am spitzen Kinn.

“Drei Fidschis” - sie hatte die abwertende Bezeichnung für Vietnamesen von ihrer Cousine aus dem Ostteil der Stadt übernommen - “baten die junge Frau in einem schwarzen Wagen, äh, der kann auch dunkelblau gewesen sein, mitzufahren.”

“Sie beobachten sehr gut, Frau Mischke”, lobte Bernd die Zeugin, die von ihm sofort intern den Spitznamen “Else Kling” erhalten hatte.

“Fahrzeug-Kennzeichen, Fabrikat?” bohrte er weiter.

“Das weiß ich nicht mehr, bin ja nicht mehr die Jüngste.”

Sie dachte einen Moment nach. Da sie regelmäßig auch Parksünder anzeigte, kannte sie eine Vielzahl von Autotypen.

“Ich glaube, es war ein Citroen, auf jeden Fall ein dunkles Auto.”

“Waren die Männer bewaffnet, haben sie Gewalt angewendet?” fragte Bernd, obwohl er ahnte, dass er hier nicht weiter kam.

“Die junge Frau von ihrem Foto hat sich zunächst geweigert, ist aber dann eingestiegen.”

Erna Mischke stützte sich auf ihren Schrubber.

“Hörn Sie mal, junger Mann. Das Ganze hat mich vor etwa zwei Stunden schon mal ein viel jüngerer Mann gefragt. Habt ihr nichts zu tun? Da laufen so viele frei rum!”

Bernd verabschiedete sich hastig von der Klatschtante und verzichtete auf den Besuch des Asia-Shops gegenüber.
Die würden aus Angst ihre Landsleute nicht verraten, selbst wenn sie Namen und Adressen wüssten.

Es kam jetzt auf Dieter Wagner und seine Leute an.

Wie auf Kommando bimmelte das Handy und Bernd nestelte es umständlich aus der Innentasche seiner Lederjacke.

“Habt ihr endlich die Entführer?” polterte er los.

“Nun mal sachte”, druckste Hauptkommissar Wagner herum und Bernd ahnte schlimmes.

“Raus mit der Sprache! Wo ist das Versteck der Vietnamesen?”

“Auf einem stillgelegten Industriegelände in Köpenick. Ich bin in einer halben Stunde am Hermannplatz, Nordseite!”

Aufgelegt! Bernd starrte ungläubig auf das Handy und machte sich dann auf den Weg zum Hermannplatz.
Es kam nicht oft vor, dass Dieter sich mit ihm während der Dienstzeit traf, und jeder wusste, dass es an seiner Vergangenheit lag.

Es musste also etwas passiert sein, das Dieter nur unter vier Augen erklären wollte.

Bernd verzichtete meist auf das Auto in Berlin. Auch jetzt waren es nur zwei U-Bahn-Stationen bis zum Ziel.

Er musste am Fußgängerüberweg nicht lange warten.
Sie begrüßten sich stumm und setzten sich in ein kleines Café.
Wagner schaute sich noch einmal sorgfältig um und strich mit einer fahrigen Bewegung der linken Hand durch das kurze Haar.

“Sie sind uns entkommen!”

“Wie konnte das passieren?”
Bernd wusste, es hatte jetzt keinen Zweck, viele Worte zu machen und zu lamentieren. Es kam nur darauf an, die Spur wieder aufzunehmen.

“Ein verdeckter Ermittler war gerade in Köpenick einer anderen Sache auf der Spur...”

“Dein Mann?” unterbrach ihn Bernd.

“Nein, Drogendezernat. In einer alten Fabrikhalle wurde die Vermisste von drei asiatisch aussehenden Männern in einen Container verfrachtet und an zwei europäisch aussehende Männer übergeben, vermutlich Polen.”

“Kein Zweifel?” fragte Bernd atemlos.

“Wir haben sogar ein Foto davon. Um sich selbst zu schützen, konnte unser Mann natürlich nicht sofort telefonieren, musste sich erst aus der Halle schleichen und eine ruhige Ecke suchen.”

“Und in der kurzen Zeit sind die über die Grenze? Ich glaub’s einfach nicht!”

“Der Zoll hat die kontrolliert und durch gewunken, kurz bevor unser Anruf kam.”

Bernd enthielt sich jeder Polemik, es wäre jetzt niemandem geholfen damit.

Sicher waren wertvolle Minuten vergangen, bis die Meldung bei Dieter auf dem Tisch landete.

Wie bringe ich das nur meinem Freund Peter bei?

“Ich habe die polnische Polizei um Amtshilfe gebeten, aber ich glaube, ihr seid am Zug. Eure Freundin kann in Polen, Russland oder...”

“...Thailand sein”, beendete Bernd den Gedanken.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#7 von MadMovie , 10.11.2009 19:29

Kapitel 6[/size]

Nong war sich jetzt endgültig sicher, dass man sie verwechselt hatte, ihren Wert maßlos überschätzte.

Sicher, ihr Vater war kein unbedeutender Mann, aber eine Entführung zur Erpressung von Lösegeld hätte man in Thailand viel einfacher arrangieren können.

Warum dieser Aufwand?

Die finsteren jungen Männer in Berlin hatten sich in einer asiatischen Sprache verständigt.
Nong hielt es für Vietnamesisch.

Dann die zwei Männer mit den vielen Zisch-Lauten, eine Sprache, die sie gar nicht kannte.
Da Berlin nicht weit entfernt von Osteuropa war, vermutlich Russen oder Polen.

Nong spürte, wie ihr Gefängnis angehoben und sie durch geschüttelt wurde.

Dann hörte sie das Aufheulen der Turbinen.
Beim Abheben der Maschine wurde ihr schlecht. Sie hatte seit vielen Stunden weder geschlafen, gegessen noch getrunken.

Sie stieß die gefesselten Beine gegen die Aluminiumwand und kämpfte gegen die Tränen. Ihre Kräfte verließen sie...

* * *

“Vietnamesen und Polen, um die alle zu koordinieren und zu bezahlen, muss schon ein großer Kopf dahinter stecken.”

Peter hatte sich wieder beruhigt.
Es hatte auch keinen Zweck, sich selbst und andere mit Vorwürfen zu quälen. Hier war eine Maschinerie in Gang gesetzt worden, die selbst Bernd in Erstaunen versetzte, und der hatte schon allerlei erlebt.

Um den Kummer zu ertränken, gab es mal wieder einen kleinen Umtrunk in Peters Wohnung.
Schon nach einem Kräuterlikör verfiel Bernd wieder in den Berliner Dialekt.

“Wenn ick nur eine Spur hätte und wüsste, wo ick anfangen soll!”

Er stapfte unruhig durch die Wohnung, wie ein Pferd, das gerne vom Zügel gelassen werden möchte, aber nicht wusste, wohin.

Peter sah mit seiner Lesebrille immer eine Spur souveräner und abgeklärter aus als sonst.

Er ignorierte die Wanderbewegungen seines Freundes und konzentrierte sich auf den Computer.

“Gab es neue Sichtungen?” fragte Bernd, der nur stoppte, weil er Bier nach schütten wollte.

“Wieso nennst du das immer Sichtungen? Sie ist kein außerirdisches Phänomen und wir legen hier keine X-Akte an!” ereiferte sich Peter.

“Im Moment ein wenig schon”, murmelte Bernd.

Peter hatte es gestern endlich über sich gebracht und die Familie von Nong in Bangkok informiert.

Jetzt lag die Antwort-Email ihres Bruders Udai vor.
Obwohl die englischen Worte korrekt gesetzt waren, wurde Peter nicht ganz schlau daraus.

Der große Bruder machte sich große Sorgen und lud sie ein nach Thailand, weil die Vermutung nahe lag, dass die Entführung mit der Familie zu tun habe.

Wenn Udai ein Bekennerschreiben oder eine Lösegeldforderung hatte, warum teilte er ihm das nicht mit?
Warum diese Geheimniskrämerei?

Bernd hatte nun doch Platz genommen.

“Du Unruhegeist wirst bald Gelegenheit bekommen, in Thailand jedes Blatt umzudrehen.”

Peter bearbeitete die Tastatur des Computers mit der Virtuosität eines Klavierspielers.

“Darauf freue ick mir schon. Mal was anderes, als untreuen Ehegatten mit der Kamera aufzulauern!” strahlte Bernd.

“So, doch noch zwei freie Plätze für heute Abend mit Swiss Air. Es haben welche abgesagt!”

“Wat denn? Heute schon?”


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#8 von MadMovie , 12.11.2009 02:21

Kapitel 7[/size]

Als Nong erwachte, saß sie in einem Ledersessel und ein Steward machte einen Wai vor ihr.

“Ich hoffe, es geht Ihnen wieder besser, Khun Pittayarat?” sagte dieser freundlich lächelnde Mann im akzentfreien Thai.

Nong kniff sich sofort in den Arm und sah dabei die roten Male der Handfesseln, die sie vor kurzem noch getragen hatte.

Das konnte nur ein Traum sein!
Der Schmerz in ihrem linken Unterarm und ein Blick auf die finsteren Gesellen, die nicht weit entfernt von ihr Platz genommen hatten, belehrten sie eines Besseren.

Aber was sprach dagegen, die neue Situation auszunutzen?
In Thailand würde man sie vielleicht wieder in irgendein Loch pferchen. Mit Schaudern erinnerte sie sich an den kalten, feuchten Berliner Keller und den engen Blechcontainer.

“Es geht mir wieder besser, danke! Etwas Som Tam, Khao Pad Gai und ein Glas Wasser!”

“Kommt sofort”, sagte der Stewart lächelnd und verbeugte sich wieder.

Es dauerte nicht allzu lange, da kam der freundliche Mann mit dem blütenweißen Jackett und den goldenen Knöpfen mit einem gut gefüllten Tablett wieder.

Wie hatte sie den Geschmack von Som Tam vermisst!

“Wem gehört denn dieses schöne Flugzeug?” fragte sie beiläufig den Steward.

Nong kannte sich mit Flugzeugen nicht so gut aus, aber die edle Innenausstattung ließ darauf schließen, dass es sich um eine Gulfstream handelte.

Wer sich so etwas privat leisten konnte, war unermesslich reich.
Ihre Frage wurde mit einem Lächeln quittiert.

Einer der finsteren Bodyguards erhob sich, vermutlich, um zur Toilette zu gehen.

“Stell’ nicht zu viele Fragen, wenn dir dein Leben lieb ist!” raunte er im Vorbeigehen.

Nong ließ sich in ihrem Gedankengang nicht stören.
Wenn der Auftraggeber so reich war, waren die paar Millionen Baht, die er von ihrer Familie erpressen konnte, so gut wie nichts.
Es musste einen anderen Hintergrund geben...

Nong lief wieder ein kalter Schauer über den Rücken. Sie wagte nicht, den Gedanken konsequent zu Ende zu denken.

* * *

Peter und Bernd hatten in Windeseile gepackt und es gerade noch rechtzeitig zum Flughafen Tegel geschafft.

Der Check-In-Schalter wollte gerade schließen.

Nach einem kurzen Flug nach Zürich und dem Umsteigen ohne lange Wartezeiten hatten sie es sich jetzt im Airbus bequem gemacht.

“Du musst jetzt ganz tapfer sein, lieber Freund”, flüsterte Peter.

“Nachtigall, ick hör dir trapsen!” Bernd hatte es geschafft, in der kurzen Zeit in Zürich ein Bier zu inhalieren.

“Ich werde zunächst alleine zur Familie fahren...”

“Dass du mich für die Drecksarbeit brauchst, die garantiert anfällt, war von vornherein klar. Ick danke dir für deine Feinfühligkeit!”

“Sei bitte vorsichtig, du kennst das Land und die Gegebenheiten nicht.”

“Da wär ick mir nicht so sicher!” Bernd tat so, als ob er von einem Hustenanfall geschüttelt wurde und Peter hatte es geschafft, seinem Freund in einer Minute zweimal vor den Kopf zu stoßen.

* * *

Nong hatte geglaubt, man würde auf einem kleinen Flugplatz in Kambodscha landen und sie, eingesperrt in einen Container, was bei der Hitze bestimmt nicht angenehmer als in Berlin wäre, über die Grenze bringen.

Sie erkannte am Fenster die vorbei huschenden Golfplätze am Don Muang Airport.

Sie landeten auf einem für Privatjets reservierten Rollfeld.

Ihre Bewacher machten sich nicht einmal die Mühe, ihr die Augen zu verbinden.

Auf der schmalen Gangway kam ihr der Gedanke nach Flucht.
Was würde passieren? Man würde ihr mit schallgedämpfter Pistole ins Bein schießen, so dass sie als Geisel noch brauchbar war, aber nicht mehr weglaufen konnte.

Vielleicht hatten die für so einen Fall sogar Betäubungsgewehre an Bord.
Sie rechnete inzwischen mit allem.

Für das weit entfernte Flughafenpersonal würde es wie ein Sturz aussehen

Keine Chance! Heute noch nicht, seufzte Nong.
Aber sie wusste immer noch nicht, was eigentlich gespielt wurde...

* * *

Bernd hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass er hier undercover arbeiten musste und Peter ihn verleugnen würde.

Es war ihm recht so und entsprach in gewisser Weise seinem Arbeitsstil.

So trennten sie sich schon am Gepäckband und vereinbarten einen Treffpunkt in einem Hotel in der Sukhumvit Road.
Nachdem die Handys umgerüstet waren, würde man danach telefonisch in Verbindung bleiben.

Bernd hielt es wie immer, auch die engsten Freunde und Vertrauten nicht in alles einzuweihen.

Das hatte ihm in den 80er Jahren manchmal das Leben gerettet.

So wusste Peter zum Beispiel nicht, dass er von Pjotr in Warschau den entscheidenden Tipp erhalten hatte.

Er tauchte ein in die Dunstglocke Bangkoks und winkte ein Taxi herbei.

Mein lieber Schwan, dachte Bernd auf dem Tollway, die Stadt der Engel hat sich in den letzten 18 Jahren aber kolossal verändert.
Einige der am Fenster vorbei huschenden Wolkenkratzer standen damals noch gar nicht.

Und die ganze Zeit redete der Taxifahrer unermüdlich von Adolf Hitler und der deutschen Fussball-Nationalmannschaft, die man bald hier begrüßen würde.

* * *

Peter sah seinen Familiennamen auf einem Pappschild und eilte zu dem freundlich lächelnden jungen Mann, der das Schild weiter gab und einen Wai machte.

Peter verneigte sich nur, da er das Handgepäck umgehängt hatte.

“Willkommen in Thailand, Khun Peter!”

“Vielen Dank für den freundlichen Empfang, Khun Udai!”

Udai geleitete Peter durch den Trubel der Ankunftshalle zum Mercedes der Familie und der Chauffeur verstaute das Gepäck.

Peter hätte am liebsten sofort Klartext geredet, aber Ungeduld war ein Zeichen von schlechten Manieren, und er wusste zwar nicht aus eigener Erfahrung, aber von Journalistenkollegen, die in Asien arbeiteten, wie er sich zu verhalten hatte.

So würde ihm auch nie ein Satz über die Lippen kommen, wie:
“Hätte ich nur besser auf deine Schwester aufgepasst!”

Stattdessen versicherten sich beide, dass sie in großer Sorge um Nong seien und falls kriminelle Elemente dahinter stecken sollten, sie mit Hilfe der thailändischen Polizei dingfest machen würde.

Jeder von den beiden wusste, das die Sache weitaus komplizierter war und man würde zu einem späteren Zeitpunkt darüber reden.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#9 von MadMovie , 13.11.2009 02:08

Kapitel 8[/size]

Khun Potaram war eine beeindruckende Persönlichkeit.
Mit seinen 1,85 überragte er nahezu alle anderen Thais und am liebsten sah er es, wenn sein kahler, polierter Kopf das Blitzlichtgewitter reflektierte.
Es gefiel ihm auch, medienwirksam dem Premierminister die Hand zu schütteln.

Genau so sorgfältig achtete er darauf, dass seine zwei Imperien in Thailand niemals miteinander vermischt wurden.
Nicht einmal Geldwäsche duldete er, zumindest nicht in Thailand.

Das erste Imperium beinhaltete ein Dutzend Baufirmen, welche zumeist die lukrativsten Vorhaben realisieren durften.

Das zweite Imperium nannte er sein Schattenreich, hier wurden Schwindel erregende Umsätze mit gefälschten Markenartikeln, Drogen und Waffen gemacht.

Khun Potaram ließ sich im engsten vertrauten Kreise auch gern “Kattana” nennen, wohl wissend, dass dieser Titel nur einem in Thailand gebührte.

“Kattana” Potaram war erbost und hatte Chakri, einen seiner Manager zu sich bestellt.

Er runzelte die hohe Stirn und fixierte Chakri nur mit einem kurzen Blick.

“Ich möchte keinen Ärger haben, was soll der Quatsch mit der Entführung?”

“Ich möchte mir die Bemerkung erlauben, dass wir damit drei Mücken mit einem Schlag erledigt haben!”

Der schleimige Chakri machte einen hohen Wai.

“Das mag sein”, sagte Potaram. “Aber die Verbindung nach dem Süden gefällt mir überhaupt nicht, jetzt, kurz vor den Wahlen!”

Bevor sein Unterführer, einer der wichtigsten Männer in der Schattenwelt, überhaupt etwas sagen konnte, schnitt ihm Khun Potaram das Wort ab.

“Kassiert das Lösegeld und lasst sie frei! Mit dem Pack im Süden will ich nichts zu tun haben! Habe ich mich klar ausgedrückt?”

Chakri machte wiederum einen Wai.

“Selbstverständlich, Kattana!”

Insgeheim ahnte Mr. Potaram, dass er hier womöglich ausgetrickst werden sollte.
Für solche Fälle hatte er eine spezielle, ihm treu ergebene Eliteeinheit.
Der aufmüpfige Chakri war ihm schon lange ein Dorn im Auge.

* * *

Peter hatte alles über sich ergehen lassen.
Die besorgten Gesichter der Frauen, alle in feinste Seide gehüllt.
Zumeist handelte es sich um Tanten von Nong, und die Mutter, eine majestätische Erscheinung mit ihrem hochgesteckten Haar.

Peter verbeugte sich viele Male und hoffte nur, die Etikette in dieser feinen Villa nicht zu verletzen.

Was fehlte, waren Männer, das war auffällig.
So blieb ihm nur der Kontakt zum symphatischen Udai.

Sie trafen sich auf der Terrasse der Villa der Familie Pittayarat mit Blick auf den vorbei strömenden Chao Phraya River.

Udai wusste natürlich, dass Farangs ziemlich ungeduldig waren und alle Probleme sofort analysieren und angreifen wollten und versuchte, sich darauf einzustellen.

Die Eiswürfel klirrten in den geschliffenen Whisky-Gläsern - kein Maekhong, sondern edelster importierter Scotch von den Highlands.

“Willst du meine Schwester heiraten?” fragte Udai unvermittelt.

“Ich mag sie sehr. Wenn wir sie wieder finden, werde ich sie fragen.”

Peter nippte an seinem Glas und überlegte, mit welcher Frage er Udai aus der Reserve locken konnte.

“Darf ich fragen, wo dein Vater ist? Ich habe nur Frauen gesehen.”

“Du bist kein Farang für mich, sondern ein Freund.”

Peter wusste nicht, dass dies nur eine Floskel war, die man öfter zu hören bekam, wenn man sich nur in den entsprechenden Kreisen bewegte.

“Mein Vater hat den Rang eines Generals und wurde vor kurzem zum Oberkommandierenden der Truppen in der Provinz Yala ernannt.”

Peter blieb erst einmal die Luft weg und er starrte in sein Whisky-Glas.
Sein Gehirn war noch nicht so vernebelt, um klar denken zu können.

“Ich glaube nicht, dass die Moslem-Rebellen die Entführung in Berlin organisiert haben.”

“Das glaube ich auch nicht”, sagte Udai trocken.
“Nong wusste nichts davon.”

Und er fügte als Warnung noch hinzu:

“Dein Begleiter soll sich vorsehen...”

Daraufhin fiel Peter nichts mehr ein, aber er war zuversichtlich.
Bernd war mit allen Wassern gewaschen und die Gegenseite würde ihn mal wieder unterschätzen.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#10 von MadMovie , 14.11.2009 02:07

Kapitel 9 [/size]

Man hatte Nong weder betäubt noch gefesselt.

Sie mussten sich ihrer Sache ziemlich sicher sein.
Man hatte nur eine Pistole, die von außen nicht zu sehen war, zwischen ihre Rippen gepresst.

Vermutlich war auch das Wachpersonal bestochen, denn die zwei Autos wurden ohne Kontrolle durch gewunken.

Das Auto hatte Scheibengardinen, die zugezogen wurden, so dass Nong nicht wusste, welche Strassen benutzt wurden.

Nong fand sich in einem luxuriösen Gefängnis wieder.
Sie wurde in eine mit edlen Möbeln ausgestattete Wohnung gesperrt.

Es gab sogar eine Minibar und eine Küche mit einem gut gefüllten Kühlschrank.

Nong konnte sich noch immer keinen Reim darauf machen, warum die Entführer so viel Aufwand betrieben.
Sie dachte an ihre Mutter und ihren Bruder.
Ob die Familie schon eine Lösegeldforderung erhalten hatte?

Sie dachte auch an Peter, der ihr nur als Sprungbrett, als Legende dienen sollte, um ihren Auftrag in Berlin auszuführen.

Sie wusste nicht, ob Peter und sein Freund Bernd baa die Spur aufgenommen hatten.
Vielleicht waren sie sogar schon in Thailand?

Nong sank auf das Sofa und krallte ihre Hände in ein buntes Kissen.
Egal, was und wer dahinter steckte - sie musste hier raus!
Ihr musste etwas einfallen!

* * *

Peter und Bernd trafen sich in der mondänen Lobby des Landmark Hotel in der Sukhumvit.
Das Licht der Leuchten wurde von den blank polierten Marmorplatten reflektiert.

Bernd hockte in einem der tiefen Sessel und rollte ein Zigarillo der Marke Moods zwischen den Fingern, das er hier drin nicht anzünden durfte.

“Gibt es diese Glimmstängel hier auch zu kaufen, oder hast du ausreichend Vorrat mitgebracht?” knurrte Peter zur Begrüßung.

“Ist wohl nicht so toll gelaufen für dich?” grinste Bernd.
Er stemmte seine 90 Kilo aus den Polstern.

“Gehen wir erst mal ein Bierchen trinken. Bei dem Klima ist der Flüssigkeitsverlust für Farang-Körper medizinisch bedenklich.”

Sie steuerten einen Biergarten an, aber bevor sie Platz nehmen konnten, waren sie von drei schnatternden Thailadies umringt.

“Hello, handsome men! How are you?”

“Tja, Mädels, mit dem Spruch habt ihr euch entlarvt”, sagte Bernd auf Deutsch.

Und er scheuchte sie mit ein paar Worten auf Thai davon.

“Ist mir zu hektisch hier.”

Und ehe es sich Peter versah, standen sie an der Sukhumvit und Bernd stoppte ein Taxi, als wäre er jeden Tag hier unterwegs.
Vermutlich musste er wirklich einmal in das Ausland reisen, um seinen Freund noch besser kennen zu lernen, der voller Überraschungen steckte.

“Wo geht’s hin?” fragte Peter im Taxi.

Der Fahrer hatte nicht nur die Air-Con, sondern auch das Autoradio voll aufgerissen.

“Zu einem Restaurant, wo wir ungestört plaudern können. Lässt sich auch besser kontrollieren.”

“Wann warst du das letzte Mal hier?” fragte Peter scheinbar nur am Rande interessiert.

“Erstaunlich, dass ich das in all den Jahren nicht verlernt habe, die paar Brocken Thai meine ich.”

Peter fixierte seinen Freund mit hoch gezogenen Augenbrauen.

“1987, ging um Anwerbungen hier und in Singapur.”

Peter wusste genau, es hatte jetzt keinen Zweck, weiter zu bohren.
Bernd sprach nicht gern über seine Vergangenheit.

Bernd hatte nicht zu viel versprochen.
Man saß direkt auf einem Steg mitten im See, weitab vom Großstadtgetümmel.

“Bia Singh”, bestellte Bernd bei der freundlichen Kellnerin.

Keine Ausländer und die einheimischen Gäste saßen drei Tische entfernt.

“Gefällt mir besser so, Peter. Keine Lauscher.”

Nach einem tiefen Schluck Bier lehnte sich Bernd zurück und fragte:

“Wie ist es nun bei dir gelaufen, Peter?”

“Eine wohlhabende Familie, der Vater General. Vielleicht liegt da der Schlüssel für die Entführung? Ich glaube, der Bruder hat mir nicht alles gesagt.”

“Ach, der Ausbildungschef an der Offiziershochschule der Polizei!”

Peter verschluckte sich am Bier und riss ein Papiertaschentuch aus der Box, die auf dem Tisch stand.

Die zierliche Kellnerin eilte mit besorgtem Blick herbei, um zu sehen, woran sich der Farang verschluckt hatte.
Am Essen konnte es nicht liegen, das war noch gar nicht serviert worden.

Alles war okay, der Farang hustete noch zweimal, dann wich die rote Farbe aus Peters Gesicht.

Die Kellnerin nahm eine Zange, um Eiswürfel in das Bierglas von Bernd plumpsen zu lassen, doch dieser wehrte mit einer Handbewegung ab.

“Ich glaube, nur noch die Amis schütten mehr Eiswürfel in ihre Getränke, und das bei ihrem relativ ausgeglichenen Klima”, sinnierte Bernd.

“Es gibt so Tage, da könnte ich dich auf den Mond schießen, mein lieber Freund”, krächzte Peter.

“Und ich würde mit der Erkenntnis wieder kommen, die haben das Star Spangled Banner nicht 1969 in den staubigen Boden gerammt, sondern drei Jahre später. Du brauchst mich hier, und sei es nur als Hellseher. Aber du bist zuerst dran!”

Peter merkte, es hatte keinen Zweck. Eine kleine Pause zur Besinnung wurde ihm gewährt, da dampfender Reis, frittierter Fisch und leckeres Gemüse serviert wurden.

“Von seinem Job hat Udai nichts erzählt”, sagte Peter und blickte sein Gegenüber fragend an.

Bernd machte nur eine kurze Bewegung mit dem Löffel.

“Lösegeld?” fragte er kauend.

“Zehn Millionen Baht.”

“Hört sich erst mal viel an, ist aber ein Trick. Gibt es was Schriftliches?”

Unversehens war Peter in ein Verhör geraten.

“Ja, aber bevor du fragst: Ich habe es gesehen, es war natürlich Thaischrift und ich habe keine Kopie davon.”

Peter löste das, was Bernd vom Fisch noch übrig gelassen hatte, vorsichtig von den Gräten.

“Der Übergabetermin soll telefonisch übermittelt werden.”

Peter beschäftigte sich wieder mit dem Fisch.

“Das war noch nicht alles”, ermahnte Bernd ihn.

“Ich bin heute Morgen zum Landwirtschaftsministerium gefahren und habe dem Pförtner meinen deutschen Presseausweis unter die Nase gehalten.”

“Sowas kann man in der Khao San Road fälschen lassen”, amüsierte sich Bernd.

“Unterbrich’ mich nicht laufend! Ohne Termin keine Chance. Ich bin dann nachmittags wieder hin, um einen Mitarbeiter zum Feierabend-Kaffee einzuladen...”

“Es war eine Mitarbeiterin und du hast deinen Charme spielen lassen.”

“Hellseher!”

“Genau!”

“Also diese Nit hat sich tatsächlich zum Kaffee einladen lassen, aber sie sagte, Nong wäre schon vor einem halben Jahr versetzt worden.”

Bernd nahm einen tiefen Schluck Bier und nickte.

“Sag mal Bernd, du hast schon zwei Bier weg, wo bleibt denn dein ‘icke, dette, kieke mal’?”

“Es fehlt noch ein Tropfen Maekhong.”

Und er winkte die Kellnerin herbei, die bedauernd den Kopf schüttelte.

“Jetzt bist du dran, du Hellseher!”

Bernd lehnte sich zurück und zündete umständlich eines seiner Zigarillos an.

“Das grenzt wirklich an Hellseherei, noch nie hatte ich so wenig Anhaltspunkte.”

Er stieß eine Wolke Qualm aus und neigte den Kopf.

“Ich sage dir das nicht gern, Peter, aber unter Freunden sollte Ehrlichkeit selbstverständlich sein.”

Die Kellnerin räumte das Geschirr ab und fragte auf Englisch, ob es geschmeckt hat.

“Aloy maak maak”, und an Peter gewandt sagte Bernd:

“Wirklich erstklassig der Fisch. Hier müssen wir mal wieder her.
Wo war ich stehen geblieben? Ach, ja!”

Er reichte Peter, der geistesabwesend auf die Schachtel Moods starrte, ein Zigarillo.

“Du glaubst doch nicht etwa, so eine Zuckerpuppe aus gutem Hause kommt ins nasskalte Berlin, nur wegen deiner schönen blauen Augen und um sich das Brandenburger Tor anzusehen?”

Bernd erstickte Peters Protest mit einer Handbewegung.

“Dein Hinweis, sie arbeitet gar nicht mehr dort, wo sie eigentlich arbeiten sollte, gab mir die letzte Gewissheit. Wenn Nong das ist, was ich vermute, hat sie sogar Nahkampfschulung und Schießtraining gehabt, und sei es nur ein Crash-Kurs gewesen. Sie wird versuchen, das einzusetzen und sich womöglich selbst befreien. Das gehört aber wieder in den Bereich Hellseherei.”

Peter hatte längst aufgegeben, den Thesen etwas entgegen zu setzen.

“Meine Freunde in Polen haben mir das Kfz-Kennzeichen genannt, exakt das gleiche, das Dieter Wagner gemeldet wurde. Also war bei unserer Ankunft schon klar, dass sie hier ist. Eine Gulfstream III hat in Thailand nur einer, das ist der Bauunternehmer und Immobilienhai Potaram und da seh ich noch nicht ganz klar.”

“Inwiefern nicht?” Peter war es endlich gelungen, eine Zwischenfrage unterzubringen.

“Eigentlich ganz gut so, dass es hier keinen Whisky gibt, so kann ich klarer denken.”

Ungeachtet dessen nahm Bernd einen tiefen Schluck Bier und ließ sich von der hübschen Kellnerin sofort nach schenken.

“Entweder sind die so selten dämlich, so etwas offen durch zu ziehen oder einer der Untergebenen will seinen Boss zu Fall bringen. Das raus zu finden, wird deine Aufgabe sein, Peter!”

“Und wie soll ich das anstellen?” fragte Peter gereizt.

“Du bist doch Journalist. Du spazierst in die Höhle des Löwen und machst ein Interview, ist doch dein Job?”

“Und der Baulöwe plaudert aus dem Nähkästchen und teilt mir den Aufenthaltsort meiner Freundin mit?”

“Es ist deine Sache, wie du das anstellst. Ich würde selber gern in die Organisation eintauchen, aber als Farang falle ich da auf wie ein bunter Hund, der Samba tanzt und dazu Gitarre zupft!”


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#11 von MadMovie , 15.11.2009 02:17

Kapitel 10 [/size]

Nong hatte keine Lust, in ihrem goldenen Käfig einfach die Dinge abzuwarten.

Sie hatte durch die verschlossene Tür ein Gespräch ihrer Bewacher belauscht und aus dem wenigen, das sie verstanden hatte entnommen, man würde sie bald woanders hinbringen.

Was hatte das zu bedeuten?
Warum sollte man sie an einen weit entfernten Ort bringen, wenn die Lösegeldübergabe unmittelbar bevor stand?

Das machte alles keinen Sinn.

Sie nahm sich vor, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit auszubrechen.

Falls es wirklich nur zwei Bewacher waren - mehr hatte sie bisher nie zu Gesicht bekommen - musste sie das Überraschungsmoment nutzen und versuchen, die Gegner kampfunfähig zu machen.
Nong traute sich das zu.

* * *

Peter war überrascht gewesen, so schnell einen Interviewtermin bei Mr. Potaram zu bekommen.

Der Pressesprecher der Unternehmensgruppe und die Sekretärin waren am Telefon sehr freundlich und entgegen kommend gewesen.

Nun saß er hier in einem Konferenzraum in einem der Wolkenkratzer Bangkoks und genoss die Aussicht auf den nicht all zu weit entfernten Baiyoke Sky Tower.

Die Tür wurde aufgestoßen und eine imposante Persönlichkeit durchmaß mit raumgreifenden Schritten den Raum.

Der Mann, den man im Vergleich zu anderen Thais als Hüne bezeichnen konnte, deutete eine Verbeugung an und lud Peter ein, Platz zu nehmen.

Peter verbeugte sich ebenfalls, machte aber keinen Wai.

Als er sich auf den Posterstuhl fallen ließ, dachte Peter noch einmal daran, was für ein weiser Entschluss es gewesen war, die Empfehlungsschreiben der wichtigsten deutschen Nachrichtenmagazine mitzunehmen, des Spiegel und des Focus.

Die musste er an das Büro von Mr. Potaram faxen und hatte sofort einen Termin bekommen, aber nur für zwanzig Minuten.

Peter beeilte sich, das Diktiergerät auszupacken und einzuschalten und sein Gegenüber strahlte über das ganze Gesicht.

“Es ist mir eine große Ehre, Mr. Weise - so war doch ihr Name? - Sie hier zu begrüßen! Es kommt nicht oft vor, dass Journalisten aus Europa sich für meine Arbeit interessieren. Die meisten Interviewwünsche werden an den Premierminister heran getragen, der nicht nur ein weiser Politiker, sondern auch der erfolgreichste Geschäftsmann in Thailand ist.”

Ehe Peter überhaupt eine Frage stellen konnte, hielt Mr. Potaram einen Vortrag über die Entwicklung seines Firmen-Imperiums, zu dem von Zement-Fabriken bis zu Architekturbüros alles gehörte, was mit dem Bau zu tun hat.

Mr. Potaram hatte während der Wirtschaftskrise das schlingernde Schiff erfolgreich durch alle Sturmwellen gesteuert und die Bilanzen waren im neuen Jahrtausend von Jahr zu Jahr besser geworden.

Peter kam nun endlich dazu, auch Fragen stellen dürfen.
Aber egal, was er auch fragte, die Antwort war jedes mal eine flammende Wahlkampfrede für die Regierungspartei.
Dass man alles Mr. Thaksin zu verdanken habe und sein eigener Beitrag eher beischeiden sei, sagte Mr. Potaram freundlich.

Peter gelang es auch heraus zu finden, wie viel Mr. Potaram für die TRT-Partei spendete und nahm sich vor, wenn alles gut ging, tatsächlich einen Artikel darüber zu schreiben.

Geschickt lenkte er das Interview auf das Privatleben, die Interessen und Hobbys des Industriellen.

“Ist es richtig, dass Sie auch über ein Privatflugzeug verfügen, Mr. Potaram?”

“Nun, dieses Privatflugzeug gehört der Firmengruppe, nicht mir persönlich. Bei Bedarf dürfen auch andere Manager, denen ich vertraue, dieses Flugzeug nutzen.”

“Muss die Nutzung bei ihnen beantragt werden?”

Mr. Potaram schaute demonstrativ auf die Uhr.

“Leider habe ich noch einen anderen Termin. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, Mr. Weise?”

Der Firmenmagnat stand auf, umrundete den Tisch und verbeugte sich nur kurz.

“Leider ruft die Pflicht! Schicken Sie den Entwurf ihres Artikels per Email oder Fax an meinen Pressesprecher, der leider einen anderen Termin wahrnehmen musste!”

Peter hatte zwar nicht viel erfahren, aber der Zufall kam ihm zu Hilfe.

Im Vorzimmer sah er einen Mann, der rasch ein paar Worte mit Mr. Potaram wechselte.
Und der sah weder wie ein Manager noch wie ein Bauingenieur aus.
Auf Peter wirkte dieser Mann fast wie ein Fremdkörper hier und auch der Chef schien nicht gerade erbaut davon zu sein, ihn hier zu sehen.

Peter nahm einen anderen Fahrstuhl und folgte einfach seinem Instinkt als Journalist, dass dieser schmierige Typ in irgendeiner Weise eine wichtige Rolle spielte.

Nong war nun mal mit der Gulfstream von Potaram transportiert worden, die einzige sichere Erkenntnis, die Bernd und er bisher hatten.

Peter rannte auf die Strasse hinein in die brütende Hitze und sah, wie der Mann, dessen einziger Makel war, dass er nicht wirklich zum Umfeld von Mr. Potaram passte, in einen silbergrauen Mercedes sprang.

Peter gelang es wider Erwarten, sofort ein Taxi zu stoppen und er zeigte dem Fahrer einen 1000-Baht-Schein.

“Folgen Sie bitte dem Mercedes! Meine Freundin will gerade durch brennen!” stammelte er auf Englisch.

Der Fahrer hatte schon viel verrücktere Farangs erlebt und gab Gas.

Und es gelang tatsächlich, den Mercedes im Verkehrschaos von Bangkok im Auge zu behalten.
Peter ahnte nicht, wie nahe er bald Nong sein würde.

* * *

Mr. Potaram hatte sein Bau-Imperium absolut im Griff.
Was ihm Sorgen machte, war das Schattenreich.
Da gab es immer wieder welche, die sich profilieren wollten, ihr eigenes Süppchen kochten und seine Weisungen missachteten.

Deshalb hatte er eine Sondereinheit geschaffen, die für Ordnung sorgen sollte.

Chef des Rollkommandos war Pairat, genannt der “Schweiger”.

Dieser war früher der Kommandeur einer Militäreinheit an der Grenze zu Myanmar gewesen und hatte Schmuggler gejagt, aber auch in die eigene Tasche gewirtschaftet.

“Was haben deine Leute heraus gefunden, Pairat?”

“Mein Mann in der Gruppe um Chakri meldete mir, dass man nur eine scheinbare Lösegeldübergabe plane mit einem Double und dann entgegen deiner Entscheidung die Tochter des Generals Pittayarat an die Rebellen im Süden weiter reichen will, die wiederum wichtige Gefangene frei pressen wollen!”

Potaram schritt nachdenklich auf und ab.

Den letzten Anstoß hatte der neugierige deutsche Journalist gegeben, der ihn darauf hingewiesen hatte, dass er nicht einmal die Flugbewegungen der Gulfstream kontrollieren würde.

Dieser undankbare Emporkömmling Chakri hatte ihn belogen und behauptet, die Tochter des Generals hätte man in Thailand entführt.

Der Flug nach Polen war bei ihm gar nicht beantragt worden!

Das konnte Potaram unmöglich durch gehen lassen und fällte eine folgenschwere Entscheidung.
Vor allem dachte er dabei an die bevorstehenden Wahlen.
Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn sein Name im Zusammenhang mit der Entführung genannt wurde.

“Alle beteiligten Personen, die Kenntnis von der Entführung haben, werden eliminiert! Das gilt auch für die neugierigen Jöhramans!”

Das war endlich einmal ein Befehl nach dem Geschmack von Pairat.

Sein breites Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.

* * *

Nong hörte Stimmengewirr an der Tür ihres luxuriösen Gefängnisses.

Wenn sie nur die Tür einen Spalt offen ließen, würde sie die Chance nutzen.

Ihr Körper straffte sich und sie atmete tief durch.

* * *

Peter ließ den Taxifahrer, dem die Verfolgungsjagd sichtlich Spaß machte, stoppen und der Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen.

Die zwei silbergrauen Mercedes vor ihm waren irgendwo in eine Soi eingebogen und hielten vor einem Grundstück mit einer hohen Mauer.

Peter wies den Fahrer an, zu warten, der dazu gern bereit war, denn der Farang hatte ihm einen 1000-Baht-Schein gezeigt. Außerdem versprach das Ganze, spannend zu werden.

Peter versuchte, zur anderen Seite des Grundstücks zu gelangen. Vielleicht gab es da die Möglichkeit, irgendwo einzusteigen.

Chakri sonnte sich in dem Gedanken, jetzt bald am Ziel seiner Wünsche zu sein.
Er würde den selbstherrlichen Potaram über die Affäre stürzen lassen und selbst die Geschäfte in die Hand nehmen.

Für die Überführung der wertvollen Geisel würde er selbst sorgen.
Chakri ließ die Tür aufschließen.

Nong strahlte ihn an und eilte auf ihn zu.

“Vielen Dank, dass Sie gekommen sind!”

Die junge Frau kam auf Chakri zu, fasste ihn am Kragen und schmatzte ihm einen Kuss auf die Wange.

Diese Sekunde Ablenkung genügte Nong.

Sie winkelte ihr rechtes Bein an, stieß mit aller Kraft ihrer 50 Kilo zu und traf die Körpermitte von Chakri.

Dieser stieß einen Schrei aus und klappte wie eine Schere zusammen.

Einer der Wachmänner eilte herbei und Nong’s Karate-Tritt traf ihn am Kinn.
Dabei verlor der Wachmann seine Schusswaffe, Nong machte einen Salto und griff in der Bewegung nach der Pistole.

Ohne nachzudenken, riss sie die Pistole hoch und schoss auf den heran stürmenden Begleiter von Chakri.
Dieser kippte sofort vornüber und Nong atmete tief durch. Noch nie hatte sie einen Menschen erschossen!

Nong setzte wie in Trance einen weiteren Mann außer Gefecht und hastete nach draußen.

* * *

Peter suchte vergeblich nach einem Eingang an der Rückseite und hörte Schüsse, die durch die dicken Mauern gedämpft wurden.

Er hastete zurück und stieß mit einem Mann zusammen.
Einer der Männer von Pairat hielt einen Revolver im Anschlag, aber dieser wurde mit einem Fußtritt in die Luft befördert.

Peter schaute sich um, Diese Gestalt kannte er.

“Ich bin immer an deiner Seite, mein Freund! Überrascht?”

“Eigentlich nicht. Aber wo ist Nong!”

“Deine Süße ist gerade eben über die Strasse gerannt und im Gewühl verschwunden. Das beste, was sie machen konnte, wenn du mich fragst!”

Peter wollte sofort los stürzen, wurde aber von Bernd daran gehindert.

“Aber wir müssen...”

“Wir stecken selbst knietief in der Schei...”

Er riss seinen Freund zu Boden und sie pressten ihre Körper in eine kleine Senke hinter einem Gebüsch.

Derweil fetzten Schüsse Blätter vom Busch, die auf sie herunter rieselten.

“Mindestens zwei Banden und die machen regelrecht Jagd auf uns! Leider habe ich meine Knarre nicht dabei!”

Jetzt wurde es auch Bernd ein wenig mulmig.
Er sah, wie die Angreifer über die Wiese huschten, und da nicht zurück geschossen wurde, konnte es nur noch ein paar Sekunden dauern, bis sie hier waren.

Für eine Flucht war es zu spät.

“Jetzt hilft nur noch ein Wunder oder die Thai Police”, presste Peter hervor.

“Dein Wunsch wurde schon erhört!”

Die Angreifer stiebten in alle Richtungen davon und auch Peter wagte es jetzt, den Kopf ein paar Zentimeter zu heben.

Die Braun Uniformierten machten sich gar nicht erst die Mühe, die Verfolgung in alle Himmelsrichtungen aufzunehmen.
Sie kamen mit schussbereiten Waffen direkt auf das Gebüsch zu, als würden dort die wahren Gangster sitzen.

“Unsere Rettung!” freute sich Peter.

“Das kleinere Übel vielleicht, aber Rettung...”

Peter schaute seinen Freund fragend an.

“Wir als Farangs sind erst mal grundsätzlich mitschuldig und außerdem viel leichter zu verhaften.”

Sehr schnell stellte sich heraus, dass Bernd Recht hatte.

Sie wurden ohne Befragung zu einer Hauswand gebracht und mussten sich mit gespreizten Armen und Beinen abstützen.

Peters Protest in englischer Sprache brachte gar nichts.
Man nötigte sie zum Einsteigen in einen der Streifenwagen.

So bekamen sie nicht mehr mit, dass andere Polizisten die Kriminalpolizei und die Spurensicherung informierten und drei Leichen gefunden wurden, darunter Chakri.

Auf dem Revier ließ man sie in einem Verhörraum eine halbe Stunde schmoren.

Peter kramte sein Handy hervor, aber ein Bewacher, der an der Tür postiert war, eilte herbei und nahm es ihm weg.

Dann erschien endlich ein arrogant wirkender Offizier, der perfekt Englisch sprach.
Peter war selbst nicht auf den Mund gefallen, aber er überließ dem gewieften Verhörtaktiker Bernd das Reden.

Der Offizier wurde so zugetextet, dass er gar nicht dazu kam, viele Fragen zu stellen.

Das waren keineswegs harmlose Touristen, die unversehens in eine Schießerei geraten waren, wie der dickere Jöhraman immer wieder behauptete.

Man konnte dies allerdings auch schlecht beweisen.
Hätte man die Farangs direkt neben den Leichen gefunden, würden die angeblichen Touristen bereits in einer Zelle sitzen.

Nach einer Viertelstunde hatte der Offizier die Nase voll und befahl dem Polizisten an der Tür, Peters Handy wieder heraus zu geben.

“Sie möchten wohl die Botschaft anrufen und einen Deutsch oder Englisch sprechenden Anwalt anfordern, nur zu!” höhnte der Offizier.

Du wirst dich gleich wundern, dachte Peter und lächelte freundlich.

In den nächsten zwanzig Minuten plauderte man über die Naturschönheiten Thailands.
Jeder Versuch einer Frage nach dem Tathergang wurde von Bernd freundlich, aber bestimmt abgeschmettert.

Der Offizier überlegte krampfhaft, wie man die geschwätzigen Jöhramans ins Monkey House bringen konnte.

Der Polizist an der Tür taumelte zur Seite, da er unsanft von der Klinke getroffen wurde.

Ein Mann in Zivil stürmte herein und der eben noch so hochmütige Offizier spang auf, machte einen Wai und flüsterte ungläubig:

“Khun Pittayarat?”

Nong’s Bruder lächelte freundlich und sagte:

“Das sind meine Freunde und Gäste und keine Tatverdächtigen!”

“In Deutschland hätte es jetzt ein Donnerwetter gegeben, aber wir sind eben in Thailand”, flüsterte Bernd Peter ins Ohr.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#12 von MadMovie , 16.11.2009 02:23

Kapitel 11
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Sie saßen auf der Terrasse und beobachteten ein hell erleuchtetes Restaurantschiff auf dem Fluss, vom dem Musik herüber schallte.
In den Whisky-Gläsern klirrten leise die Eiswürfel.

“Ein guter Tropfen, der viele Jahre in schottischen Eichenfässern lagerte”, lobte Bernd den Gastgeber.

“Nach den Unannehmlichkeiten möchtet ihr sicher ausspannen und ein paar Tage Urlaub machen”, sagte Udai freundlich lächelnd.

Peter wollte sofort protestieren, aber ihn traf wieder einmal ein durchdringender Blick von Bernd, der ihn verstummen ließ.

“Meine Schwester wird sich sicher bald melden.”

“Das glaube ich eher nicht”, sagte Bernd nachdenklich.

Udai schaute ihn fragend an.

Udai ahnte jetzt zumindest, was dieser Deutsche früher einmal gemacht hatte.

Er hätte nichts dagegen, wenn dieser fähige Mann seine Schwester Nong suchen würde, aber als Offizier der thailändischen Polizei musste er etwas anderes sagen.

“Es ist Aufgabe der Polizei, meine Schwester Nong zu suchen und zu beschützen. Ich schätze euch als Freunde und Gäste, aber ihr dürft zum Beispiel keine Schusswaffen tragen. Wie wollt ihr euch selbst - ihr habt heute nur knapp überlebt - und meine Schwester schützen?”

“Mit deiner Genehmigung schon”, sagte Peter frech und bereute es sofort.

Udai’s Lächeln fror in seinem Gesicht ein.

“Wir werden deinen Vorschlag aufgreifen und uns als Touristen mal das Land ansehen”, versuchte Bernd, die Situation zu entspannen.

“Es ist besser, ihr überlasst das alles der Polizei”, sagte Udai.
Und dem Geheimdienst, fügte er in Gedanken hinzu.

Udai schenkte Whisky nach und machte Vorschläge, was sich die Gäste an Sehenswürdigkeiten anschauen könnten.

Man musste diese Deutschen auf jeden Fall im Auge behalten.

Vor allem dieser Bernd schien wirklich gefährlich zu sein, dachte Udai, als er seine Gäste auf der Freitreppe verabschiedete.

Die gepanzerte Limousine, die Udai extra geordert hatte, fuhr vor.

Peter stieß seinem Freund vergnügt den Ellenbogen in die Rippen.

“Schau mal, was ich hier habe!” Peter benahm sich wie ein übermütiger Schuljunge.

“Is’ mir egal. Ich habe einen trockenen Hals und brauche jetzt erst mal ein Singha”, dämpfte Bernd den Übermut seines Freundes.

“Okay, klappere ich eben allein die Freundinnen von Nong ab.”

Jetzt wurde Bernd doch neugierig.

“Ich habe ihr Handy. Sie hat es damals in der Wohnung liegen lassen!
Ich kann dir bald sagen, was wir uns in diesem schönen Land ansehen werden.”

Bernd ließ den Fahrer weit vor dem Zentrum halten.

“Durst ist schlimmer als Heimweh”, brabbelte Bernd.

“Und wo geht es hin?”

“Drei Telefonnummern in Bangkok, eine in Pattaya und eine auf Phuket.”

“Wird ‘ne schöne Rundreise, wie wir es Udai versprochen haben”, lachte Bernd.

Peter und Bernd hatten sich zwei große Singha genehmigt, denn wie Bernd immer behauptete, würde das erste sofort verdampfen, ohne irgendeine Wirkung zu erzielen.

Zusammen mit dem Whisky, der ihnen bei Udai serviert worden war, lockerte das die Zunge und Bernd fiel nun doch in seinen Berliner Dialekt zurück.

“Nu ruf ma endlich die erste Süße auf der Liste an!”

Peter hatte Nong’s Handy im Hotel aufgeladen, er wählte den Namen Lek.
Aber hier hatte er kein Glück.
Nach vier Rufzeichen wurde er auf die Mailbox weiter geleitet und er hörte eine thailändische Ansage.

Bernd schaute ihn fragend an, aber Peter zuckte nur mit den Schultern.

Er wählte den nächsten Namen und die Dame Pad meldete sich nach drei Klingeltönen mit “Sawasdee khaa!”

Peter versuchte wirklich alles, um die Dame am Telefon zu einem Treffen zu überreden, aber als der Name Nong gefallen war, wurde die Gesprächspartnerin auffallend einsilbig.

Pad erfand immer wieder neue Ausreden, warum sie sich mit den Farangs nicht treffen könne.

Irgendwann war Peter gezwungen aufzulegen.
Hier kam er nicht weiter.

Der Normalfall wäre gewesen, dass Bernd wild gestikuliert und verlangt hätte, selbst mit der Freundin von Nong zu sprechen.

Aber Bernd flirtete gerade mit der Kellnerin und bezahlte die Rechnung.

Er hatte einen sicheren Instinkt dafür entwickelt, was wichtig war und was nicht.

Sie stolperten auf die Soi hinaus Richtung Hauptstrasse.

Plötzlich raste mit aufheulendem Motor ein Motorrad direkt auf sie zu.

Auch als der Fahrer nur noch wenige Meter entfernt war, machte er keinen Versuch, auszuweichen oder abzubremsen.

Bernd packte Peter an der Schulter und riss ihn im letzten Moment zurück.

Während der Rückwärtsbewegung geriet Peter mit dem rechten Fuß in eine Lücke zwischen zwei Gehwegplatten und krachte gegen eine Hauswand.

Der Motorradfahrer brauste in die Dunkelheit davon.

Bernd half Peter wieder auf die Beine, dessen Gesicht wachsbleich war.

“Ein Mordanschlag!” keuchte Peter.

“Wenn det eener von Potarams Leuten war, heeß ick Zickenschulze!”

“Aber das war doch eindeutig...”

“Wenn man ernsthaft die Absicht jehabt hätte, uns beede umzunieten, dann hätte ein Sozius auf uns jeschossen!”

Peter stöhnte und schlug sich mit der flachen Hand den Staub aus den hellen Hosen.

“Außerdem kommt so etwas hier schon mal vor, dass Motorräder auf’n Bürgersteig entlang brettern.”

Peter verfluchte wieder einmal im Stillen die Besserwisserei von Bernd, aber er wusste auch, ohne seinen Freund würde er Thailand womöglich in einem Blechsarg verlassen.

Erleichtert stellte er fest, dass nichts gebrochen war.

Er war vermutlich mit einer leichten Schulterprellung davon gekommen.

Plötzlich schrillte eines der beiden Handys. Es war das von Nong.

Peter klappte das Handy auf.

“Nong?” fragte er ungläubig.

Aber die aufgeregte Stimme, die sich fast überschlug, gehörte Wan aus Pattaya.

Peter war noch etwas benommen von seinem Sturz und er bekam nur die Hälfte mit. Wan’s Englisch war eher als Kauderwelsch zu bezeichnen.

Bernd schaute seinen Freund mit aufgerissenen Augen an.

Peter schüttelte den Kopf und reichte das Handy an Bernd weiter.

Mit einem Mischmasch aus Thai und Englisch gelangt es Bernd binnen kurzer Zeit, die junge Frau in Pattaya zu beruhigen.

Mit großer Geduld und viel Einfühlungsvermögen erhielt er während des kurzen Gesprächs alle benötigten Informationen.

Peter hörte immer nur ein kurzes “Khap” oder “Okay”.

Er explodierte fast vor Spannung, aber sein Freund warf ihm das Handy zu und zerrte ihn am Ellenbogen weiter.

“Meine Schulter!” schnaufte Peter.

“Wir stehen hier rum wie die Schießscheiben, ab zur Straße und rin in ein Auto!”

Peter ließ sich widerspruchslos mitzerren.

Hier war Bernd der Boss und er fügte sich.

Was blieb ihm auch anderes übrig?

Bernd winkte an der Hauptstrasse ein Taxi heran und sie warfen sich auf die Rücksitzbank.

Peter stieß geräuschvoll den Atem aus.

“Gerade noch mal gut gegangen, vorhin!”

“Schade, dass wir den Kamikaze-Piloten in der Eile nicht fotografieren konnten. Vielleicht war ich doch ein wenig vorschnell in meinem Urteil”, sagte Bernd nachdenklich gestimmt.

“Wo dürfen wir Nong auflesen, wenn die Frage gestattet ist, lieber Bernd?”

Die Polemik in Peters Stimme war nicht zu überhören.

“Ja, sie ist bei Wan und hält sich dort versteckt. Aber sie hat Angst, dass sie verfolgt wird, weil sie mindestens einen von den Typen erledigt hat.”

Für Bernd war so etwas früher einmal Routine gewesen, aber Peter war einen Moment sprachlos.

“Sie hat was...?”

“Soll ich dich erst wach rütteln? Deine Süße ist eine Geheimagentin, du Traumtänzer! Das müsste inzwischen auch dir Luftschloss-Erbauer klar sein, aber du verdrängst es immer wieder.”

Bernd winkte ab.

“So einer will nun ein knallhart recherchierender Journalist sein”, kantete er nach.

“Noch so eine dusslige Bemerkung und unsere Wege trennen sich. Natürlich habe ich mit bekommen, was du und Udai gesagt haben!”

Peter fasste sich an die Schulter und verzog das Gesicht vor Schmerzen.

“Das muss geröntgt werden”, entschied Bernd und wies den Fahrer an, das nächste Krankenhaus anzusteuern.


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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#13 von MadMovie , 17.11.2009 02:16

Kapitel 12

Peters Röntgenbild war in Ordnung gewesen.
Der freundliche Thai Doktor hatte einen Pfleger angewiesen, Peter eine Spritze zu geben und einen Verband zu wickeln.

In drei Tagen sollte sich Peter wieder vorstellen.
Dieser Termin würde aber kaum zu halten sein.

“Immer noch der Meinung, unsere Wege sollten sich trennen, Kumpel?”
schmunzelte Bernd.

Er wartete die Antwort gar nicht erst ab.

“Du brauchst ein Kindermädchen und eine Krankenschwester, ich weiß, eine zierliche weibliche Person mit langen Haaren wäre dir lieber!” lachte Bernd.

Sie brachen bereits um 6:30 Uhr auf.

Ihr Gepäck wurde von einem Pagen zum wartenden Wagen gebracht.

Bernd gab als Fahrziel ein Hotel an der Beach Road in Pattaya an und der Fahrer griente.
Wieder zwei Farangs mittleren Alters, die sich in der Walking Street und den Bars in den Sois Mädchen angeln würden, die ihre Töchter sein könnten.

Das erste Mal wankte das Weltbild des Fahrers, als Bernd ihn vor dem Erawan Shrine halten ließ.

Er kaufte geschlossene Lotusblumen, Räucherstäbchen und Goldplättchen für alle drei und kniete sich nieder.

Peter und der Fahrer schlossen sich an.

Peter hatte mit Nong einen der beiden buddhistischen Tempel in Berlin besucht, aber hier war eine ganz andere Atmosphäre.

Die hektischen Menschen, die zu dieser frühen Stunde schon unterwegs waren, hielten inne und beteten.
Eine Oase der Ruhe und der inneren Einkehr.

Peter erhob sich ächzend.
Nur wenige Meter entfernt hupten Autos, das übliche Verkehrschaos in Bangkok.

“Seit wann bist du Buddhist, Bernd?” fragte Peter.

“Das bin ich nicht. Aber bei dem, was uns noch bevor steht, können wir Beistand von höherer Stelle gebrauchen.”

Peter hakte diesmal lieber nicht nach, was sein Freund konkret meinte.

Sie würden Nong aus ihrem Versteck in Pattaya holen, Udai informieren und falls nötig, unter Polizeischutz nach Bangkok zurück kehren.

Der Fahrer ahnte nun, das seine Gäste nicht so ganz in das Klischee der für ihn typischen Pattaya-Touristen passten.

Nach der ersten Mautstation drehte er sich um und fragte lachend, ob das Toll-Collect-System in Deutschland nun endlich funktionieren würde.

“Ja”, lachte Bernd und fragte gleich nach, warum den Fahrer das interessieren würde.

“Letztes Jahr hatte ich einen Fahrgast aus Deutschland, der machte seine Witze darüber!”

Sie kamen gut voran und machten in der Nähe von Chonburi eine kurze Rauchpause.
Der Fahrer probierte eine von Bernds Moods und hustete.

In Pattaya hatten sie das Gefühl, sich von einem Freund zu trennen, den sie schon lange kennen würden.

Sakchai gab ihnen noch seine Telefonnummer und die seines Bruders in Jomtien und verabschiedete sich mit einem Wai, nach dem Bernd ihn großzügig entlohnt hatte.

Bernd buckelte alle Koffer und Taschen in das Natural Beach Hotel, welches Wan ihnen empfohlen hatte.

Peter rief nach dem Einchecken sofort frohen Mutes die gespeicherte Telefonnummer an, aber niemand meldete sich.
Irgend etwas stimmte wieder mal nicht und er klopfte bei Bernd an, hörte aber nur lautes Singen aus dem Bad, das durch die Tür schallte.

Was blieb Peter anderes übrig, als in sein Zimmer zurück zu kehren und ebenfalls unter die Dusche zu springen.

Kurz entschlossen wickelte er den Verband von der Schulter ab und versuchte, den Arm kreisen zu lassen.

Die Schmerzen hatten zwar nach gelassen, waren aber immer noch zu spüren.

Er duschte, trocknete sich ab und packte frische Sachen aus dem Koffer. Heute würde er sie endlich wieder sehen!

Egal, was Nong ihm alles verheimlicht hatte, er war vernarrt in diese Frau und er hatte ihre glänzenden Augen gesehen, als er sie geküsst hatte.

Das war nicht alles Theater gewesen, egal, was Bernd dachte und sagte.

Frisch gestylt klopfte er erneut am Nachbarzimmer.

Bernd hatte sich ebenfalls umgezogen und war gerade dabei, Ordnung in die tropfnassen Haare zu bringen.

Irgendwie wirkte Bernd abwesend.

Sie gingen die Treppen hinunter und durch den tropischen Garten mit dem Geisterhäuschen und dem kleinen Teich.

“Was ist mit dir los, Kumpel?” fragte Peter seinen Freund.

“Ich habe so eine vage Idee, wer uns hier helfen könnte und von wem ich eine Waffe bekommen kann.”

“Wozu eine Waffe? Wir holen Nong ab und bringen sie zu ihrer Familie nach Bangkok.”

“Hast du eine Ahnung, Peter, mein Freund, was hier gespielt wird?”

Peter wusste zwar, dass Potarams Männer bestimmt nicht zimperlich waren, aber es war keinesfalls sicher, dass diese überhaupt schon die Spur nach Pattaya aufgenommen hatten.

So zuckte er nur mit den Schultern und spürte wieder ein leichtes Ziehen rechts.

“Wir alle wissen zu viel, speziell deine liebe Nong. Sie werden uns auflauern und darauf will ich vorbereitet sein”, sagte Bernd nachdenklich.
“Wo geht es überhaupt hin, du hast doch angerufen?”

“Wan meldet sich nicht, aber ich denke, du hast ihre Adresse?” fragte Peter etwas irritiert.

Bernd kramte umständlich in seinen Taschen und förderte einen zerknitterten Zettel zutage.

“Eine Soi irgendwo am nördlichen Ende der Second Road.”

Bernd winkte einen Minibus heran und sie ließen sich in der Nähe des Pattaya Memorial Hospital absetzen.

Es war brütend heiß und Peter lief der Schweiß von der Stirn.

Sie irrten durch eine Gasse und Bernd stoppte endlich vor einem schmiedeeisernen Tor.
Er läutete einmal kurz und dann lang, aber nichts rührte sich.

“Keiner zu Hause, was nun?” fragte Bernd.

Peter begrub gerade die Hoffnung, Nong noch an diesem Nachmittag umarmen zu können.

Sie gingen zurück zur Kreuzung und die Second Road weiter südwärts, bis sie nahe an der Soi waren, wo sie zu ihrem Hotel abbiegen mussten.

Eine junge Frau, die eine große, modische Sonnenbrille trug, hatte sich an ihre Fersen geheftet und zupfte Peter am Ärmel.

Sie zog ihn rasch hinter einen Verkaufsstand, so schnell, dass nicht einmal Bernd es sofort bemerkte.

“Ich bin Wan”, flüsterte die junge Frau, so dass es kaum zu hören war.
Dabei blickte sie wie ein gehetztes Tier von rechts nach links.

Bernd war aufmerksam geworden und schaltete wieder mal am schnellsten.

Er winkte einen Minibus heran und sie nahmen Wan in die Mitte, die zwischen den hünenhaften Farangs vom Straßenrand kaum auszumachen war.

“Sie sind hinter mir her, ich habe Angst”, sagte Wan jetzt mit festerer Stimme.

Peter brannte bei allem Mitgefühl nur drei Fragen auf der Seele:

“Wie geht es Nong? Konnte sie entkommen und wo ist sie?”

Sie wurden durch geschüttelt und gelangten über einen Umweg, da der Fahrer die schmale Soi, die direkt zum Hotel führte, nicht nutzte, endlich zur Beachroad.

Sie geleiteten die zitternde Wan in das schmale Restaurant des Natural Beach Hotels.

Bernd bestellte Wasser und Kaffee, für Singha Bier war es noch ein wenig zu früh am Tag.

Wan schob ihre Sonnenbrille in die Stirn.
Das bildhübsche Gesicht wurde von einem Veilchen und einer Risswunde neben dem Auge entstellt.

Peter wollte tröstend Wan umarmen, aber gerade rechtzeitig fiel ihm noch ein, das dies in der Öffentlichkeit nicht schicklich war.

Bernds Gesicht hatte sich verfinstert. Pairats Männer waren in Pattaya, daran bestand kein Zweifel mehr und es wurde höchste Zeit, dass er sich illegal eine Waffe beschaffte.

Die Suche nach Nong war kein Urlaubstrip, das war inzwischen sogar Peter klar geworden, der Wan so intensiv tröstete, dass es fast schon wie ein Flirt wirkte.

Die Worte der zierlichen Frau, die immer wieder nervös durch die Glasscheiben nach draußen blickte, kamen stockend.

“Sie waren zu viert. Als sie die Tür aufbrachen, konnte ich Nong im letzten Moment warnen und sie entkam über die hintere Terrasse.”

Bernd wollte nicht unhöflich sein und Wan unterbrechen.

“Das heißt, zwei hielten mich fest und einer schlug mich. Ein dritter kam von hinten heran gehumpelt.”

Bernd und Peter schauten sich vielsagend an.

Jetzt musste Bernd seine Frage nicht mehr stellen, sie war bereits mit beantwortet worden.

Wie er vermutet hatte, Profis, oder besser gesagt Halbprofis.

Denn wirkliche Top-Profis, deren Dienste ein Vermögen kosteten, hätten einen Scharfschützen auf dem nächsten Dach oder einem Baum platziert, um absolut sicher zu gehen.

Aber vielleicht wollte man Nong lebend?

Wan beendete ihren Bericht.
Wie durch ein Wunder hatte sie überlebt, da Pairats Schlägertrupp durch ein Klingeln am Haupteingang gestört wurde.

Wan hatte eine Ohnmacht vorgetäuscht und die Kerle waren geräuschlos verschwunden.

Doch ein wenig besser als Halbprofis, dachte Bernd.
Von außen war absolut nicht zu sehen gewesen, dass etwas nicht stimmte.
Und Bernd hatte dafür eigentlich einen siebten Sinn.

Petr hatte inzwischen nachgehakt.

“Und du weißt wirklich nicht, wohin Nong geflohen ist?”

Wan schüttelte langsam den Kopf, sie hatte immer noch Schmerzen.

Peter fragte besorgt, ob sie nicht doch lieber einen Arzt aufsuchen sollten.
Vielleicht hatte sie innere Verletzungen.

“Nein”, sagte Wan. “Bringt mich in Sicherheit, zu einem Onkel in Rayong, bitte!“

Wan blickte flehentlich von einem zum anderen Farang.

Mit diesen beiden kräftigen Männern, denen sie Vertrauen schenkte, ohne sie näher zu kennen, würde ihr schon nichts passieren.

Aber Peter kannte seinen Freund lange genug, um an dessen abwesenden Blick zu erkennen, dass Ärger ins Haus stand.

“Ist dein Job, Peter. Ich habe hier noch zu tun”, sagte Bernd kurz angebunden.

“Ich habe mal irgendwo gelesen, einen Menschen erkennt man auch daran, wie er zu anderen steht, von denen er keinen unmittelbaren Nutzen hat”, sagte Peter nachdenklich.

“Du hättest Pastor statt Journalist werden sollen. Sentimentalitäten helfen uns hier nicht weiter. Das wird noch ziemlich heftig, und dafür brauche ich Verbündete.”

Er schaute Peter eindringlich in die Augen.

“Mir geht es vor...” Aber Bernd winkte ab und sprach nicht weiter.

Wie sollte er das, was er sagen wollte, in vernünftige Worte kleiden, ohne noch mehr Porzellan zu zertöppern?

Peter blickte ihn finster an.

“Du willst uns wirklich im Stich lassen? Wer weiß, was alles passieren kann.
Vielleicht errichten sie eine Straßensperre?” ereiferte sich Peter.
“Ich sage es nicht gerne, aber hier trennen sich unsere Wege!”

Er nahm die fassungslose Wan, die kein Wort, wohl aber die Körpersprache verstanden hatte, bei der Hand und lief mit ihr zur Rezeption.

Bernd schüttelte den Kopf und trat auf die Strasse und ihm waberte ein Schwall heißer Luft entgegen, vermischt mit den Abgasen der Autos auf der Beach Road.

Eigentlich war es noch zu früh am Tag, aber schon am ersten Restaurant der Walking Street bestellte er ein Singha.

Wo finde ich die Leute mit der Eintrittskarte zur Unterwelt? überlegte Bernd, während er sich den Schaum von den Lippen wischte.

Wie überall auf der Welt, wohl am ehesten im Rotlichtbezirk. Aber er wusste genau, hier in Thailand war das anders organisiert.

Und wo konnte er die Leute treffen, von denen er sich Hilfe versprach?

Da half nur Ablenkung, um mal auf andere Gedanken zu kommen.
Bernd zahlte und suchte Schatten in einer Bar.

Noch bevor er das bestellte Bier vor sich stehen hatte, kümmerten sich zwei Servicekräfte um ihn.

Eines der anmutigen, etwa 20Jährigen Mädchen im Minikleid reichte ihm ein Erfrischungstuch.
Die andere fragte: “How are you? Where do you come from?”

Kein Spruch, wie “Hello, handsome man”, kein Handauflegen auf den Oberschenkel.
Bernd war angenehm überrascht und er nahm sich vor, der Mamasan, die irgendwo in der Nähe des Tresen war, sein Lob auszusprechen.

Die Mädchen stellten sich höflich als Nit und Noi vor und jetzt bekam Bernd doch ein paar vorgefertigte Antworten zu hören:

Sie wären erst vierzehn Tage hier, aber auch nur, weil eine Fabrik im Norden geschlossen wurde, es keine Arbeit mehr gab und schon bald würden sie in die Heimatorte zurück kehren.

Ein Familienmitglied oder wichtiges Haustier waren erkrankt und bedurften der Pflege und vor allem der finanziellen Unterstützung.

Bernd unterhielt sich dennoch sehr nett mit den beiden Mädchen, die zwar instinktiv erkannten, dass dieser Farang sie heute nicht mit nehmen würde, aber er blieb hier Gast und das war ja im Interesse der Chefin.

Am anderen Ende der Bar nahm Bernd eine junge Frau wahr, die gerade erst angekommen war und sich angeregt mit der Chefin unterhielt.

Die beiden Mädchen waren zwar begeistert, dass Bernd ein ums andere Mal schlagfertig auf Thai antwortete, aber sie bekamen auch schnell mit, wem jetzt seine Aufmerksamkeit galt.

Sie rutschten von den Hockern, um sich zwei Engländern zu widmen, die gerade lärmend die Bar betraten.

Bernd wechselte auf einen Barhocker am Tresen und bestellte einen Whisky und vergaß dabei auch nicht, der Mamasan ein paar lobende Worte zu sagen.

Die gerade erst angekommene Chan zählte mit ihren 30 Lenzen zwar zu den ältesten Mitarbeiterinnen, war aber noch gar nicht so lange hier beschäftigt.

Sie hatte längst bemerkt, wie der Farang sie musterte, aber erst nach einem aufmunterndem Kopfnicken der Chefin setzte sie sich zu ihm.

Bernd hatte zwar drei Bier und einen Whisky intus, aber diese Frau musste man sich nicht schön trinken.

Sie hatte unendlich lange Beine und fast ebenso lange rabenschwarze Haare.

Bernd lud Chan zu einem Drink ein und es kam nur eine schleppende Konversation in Gang.

Chan hatte keine große Lust, ihre Lebensgeschichte zu erzählen und Bernd war schon gar nicht daran gelegen, Anekdoten aus seinem Leben zu erzählen, obwohl es jede Menge Stories gab, die für drei Abende gereicht hätten.

Bernd sagte sich, warum mal nicht einen Abend über die Stränge schlagen, vor allem jetzt, nach der Auseinandersetzung mit Peter.
Er hoffte nur, die beiden waren sicher in Rayong angekommen.

Chan bemerkte den nachdenklichen Blick des Gastes und fragte besorgt:

“Any Problems?”

“I miss my friend, he left Pattaya.”

Mehr war nicht aus diesem seltsamen Farang heraus zu bekommen.

Die beiden wurden sich schnell handelseinig.
Bernd handelte die zunächst geforderten 2000 Baht herunter, aber es kam zu keiner Missstimmung, beide hatten sogar Spaß daran.

Bernd zahlte die Zeche und die Barfine und nahm Chan bei der Hand.

Bei den meisten Pärchen auf der Walking Street und der Promenade am Strand waren die Altersunterschiede noch größer, wie Bernd feststellte.

“You want to see special show at AGoGo?” fragte Chan.

“I want to see your special show”, antwortete Bernd und Chan zeigte zwei Reihen blütenweißer Zähne.

Dieser Kunde war nach ihrem Geschmack.

Chan hatte Hunger und zog Bernd in ein Seafood-Restaurant.

Sie hielten sich nicht lange dort auf, denn Bernd war jetzt wirklich richtig heiß und wollte nur noch ins Hotel.

Obwohl er gesagt hatte, sie müssten nur die Beach Road hinunter laufen, nahm Chan jetzt einen Umweg durch eine gespenstisch dunkle, unbelebte Soi.

Bei Bernd schrillten alle Alarmglocken und er wollte auf dem Absatz kehrt machen - aber es war zu spät!

Ein Pistolenlauf wurde gegen seine Nieren gepresst und der kalte Stahl eines Messers war an der Halsschlagader zu spüren.

Die kleine Schlampe hat mich verraten! durchzuckte es Bernd siedend heiß und am meisten ärgerte ihn, dass so etwas ihm als ehemaligem Profi passieren musste.

An Flucht war nicht zu denken...


wird fortgesetzt...

 
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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#14 von MadMovie , 18.11.2009 06:26

Fortsetzung Kapitel 12
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Bernd war nicht zum ersten Mal in so einer Situation.

Binnen Sekunden hatte er sich wieder im Griff und suchte nach einer Verhandlungsstrategie.

So viel war klar: Wenn die ihn nur liquidieren wollten, wäre das längst geschehen. Insofern gab es noch Hoffnung.

Er riskierte einen kurzen Blick hinüber zu Chan.

Sie wurde von zwei Männern fest gehalten, wobei einer der bulligen Typen eine Hand auf ihren Mund presste.

Chan zitterte, kein höhnischer Blick, der sie verraten hätte.

Um die Ecke kam ein großer Mann, dessen Gesicht noch im Dunkeln verborgen war.

Der Mann hielt inne, um sich eine Zigarette anzuzünden.

Das Gesicht wurde für einen kurzen Moment vom flackernden Lichtschein des Feuerzeugs erhellt und Bernd wurden mit einem Schlag drei Dinge klar:

Es würde keine heiße Liebesnacht mit Chan geben;
seine Leiche würde nicht, von Haien angeknabbert, irgendwo an den Strand gespült werden und er würde morgen Mittag mit einem dicken Schädel aufwachen, der nicht von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrührte.

“Prekrasnii dobri wetscher, towaritsch Grigorij Alexandrowitsch! Kak tebja djela?” *sagte Bernd seelenruhig und registrierte befriedigt, wie das Messer von seinem Hals verschwand und die Pistole zurück gezogen wurde.

“Schto dolschna tschepucha?”**

Chans Bewacher testeten, ob sie es jetzt schon riskieren konnten, die Hand vom Mund zu nehmen.

Sie war zu schockiert, um irgendeine Reaktion zu zeigen.

Aber diese Sprache hatte sie in den letzten drei Jahren in Pattaya immer häufiger gehört.

Grigorij Alexandrowitsch scheuchte seine Gorillas mit einer Handbewegung los, um das Auto zu holen.

Er klopfte Bernd auf die Schulter.

“Ich habe dich kommen sehen und wollte sicher sein, dass du nicht abhaust und die da”, er machte eine flüchtige Bewegung mit dem Daumen über die Schulter, “die Nachbarschaft mit ihrem Geschrei aufweckt.”

Kein Wunder, dass die Russen sich in dunklen Gassen aufhielten.

So eine Ansammlung finster drein blickender Farangs ohne weibliche Begleitung musste hier in Pattaya sofort auffallen.

“Willst du sie mitnehmen, towaritsch Bernd Walterowitsch?”

Man hatte Chan inzwischen heran geführt.

Bernd sprach Englisch mit ihr.

“It’s up to you!”

Er gab ihr 1000 Baht Entschädigung, versprach ihr, alles morgen aufzuklären und Chan rannte davon, als wäre der Teufel hinter ihr her.

“Weiber”, sagte Grigorij Alexandrowitsch verächtlich und bot Bernd eine filterlose Zigarette an.

Inzwischen war das Auto vorgefahren worden, natürlich ein deutsches Fahrzeug mit einem silbernen Stern.

Zwei Fragen musste Bernd unbedingt los werden, als sie im Auto Platz nahmen.

“Weshalb bist du hier in Thailand gelandet? Du hättest doch unter Wladimir Wladimirowitsch*** eine glänzende Karriere machen können?
Kann ich von dir eine Schusswaffe bekommen?”

Grigorij Alexandrowitsch klopfte Bernd zum wiederholten Male auf die Schulter.

“Das ist eine lange Geschichte. Das besprechen wir besser bei einem Gläschen Wodka!”

Bernd wusste, dass die Russen unter einem “Gläschen” Wassergläser verstanden, in die ständig nachgeschenkt wurde.

Das würde übel enden heute Abend.

Die Russen würden morgen früh wieder topfit sein, aber er nicht.

Hoffentlich war es dann nicht zu spät, Nong zu suchen und Potarams Männer von ihr fern zu halten.

[size=75]* Einen wunderschönen guten Abend, Genosse Grigorij Alexandrowitsch! Wie geht's dir?
** Was soll der Quatsch?
*** Wladimir Wladimirowitsch Putin

wird fortgesetzt...

 
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RE: Abenteuer in Thailand-auf der Suche nach Nong

#15 von MadMovie , 19.11.2009 20:43

Kapitel 13[/size]

Peter saß auf der Terrasse des Lehrers Mongkut in Rayong und nahm einen tiefen Schluck Wasser.

Bier gab es in diesem Hause nicht, aber Mongkut war ein freundlicher, bescheidener Gastgeber.

Peter kam es so vor, dass er erst jetzt, ohne Bernd, der immer wieder den Führungsoffizier herauskehrte, dieses Land und die Menschen besser kennen lernen würde.

“Was ist wirklich passiert?” fragte Mongkut.

Seine Nichte hatte ihm erzählt, sie wäre gestürzt, aber das glaubte er nicht.

Peter erzählte die ganze Geschichte und ließ nichts aus.

Gut, dass Bernd nicht hier war.
Der hätte schon wieder geunkt, dass der Lehrer ans Telefon eilen würde, um Potaram zu informieren.

Es ging auch ohne Bernd. Egal, was in Pattaya gerade passierte, der würde sich schon raus winden.

“Als ich euch zuerst sah, dachte ich schon, der neue Freund von Wan”, lachte Mongkut.
“Ich hoffe nur, dass ihre Freundin, die ich gut kenne, da heil heraus kommt.”

Peter beeilte sich, zu versichern, dass er und sein Freund alles daran setzen würden, Nong zu finden und nach Bangkok zu bringen.

Gleichzeitig dachte er daran, was passiert wäre, wenn Nong nicht seine Freundin wäre und er Wan einfach so im Urlaub kennen gelernt hätte.
Eine hübsche und intelligente junge Frau, etwas kleiner als Nong.

Wan hatte sich frisch gemacht und mit etwas Make-Up die Spuren der Schläge von Pairats Männern abgedeckt.

“Ich möchte heraus finden, wie es Nong geht. Begleitest du mich, Peter?”

Peter war verblüfft, damit hatte er nicht gerechnet.

Er dachte, Wan würde sich nach dem Schock einige Zeit hier bei ihrem Onkel verstecken.

“Natürlich”, stotterte er, “wo soll es hin gehen?”

“Ich habe telefoniert. In Bangkok ist sie nicht. Es bleibt nur noch...”

“Phuket!” ergänzte Peter.

“Woher weißt du das?”

* * *

Nong dachte darüber nach, was man ihr in dem mehrwöchigen Lehrgang alles beigebracht hatte.

Auf jeden Fall dschai yen, ruhiges Blut bewahren!

Wo würde das Rollkommando sie zuerst vermuten?

Am Bahnhof oder den Busstationen, das wurde sicher überwacht, falls die Bande Verstärkung aus Bangkok erhalten hatte.

Man hatte ihr auch beigebracht, möglichst das Ungewöhnliche zu tun, das, was keiner erwartete.

Sie bestieg ein Longtailboot, das sie zu einem Schiff brachte, das Kurs auf Koh Lan nahm.

Nong hoffte, dort jemanden zu finden, der sie an irgend einem Küstenabschnitt zwischen hier und Bangkok bringen würde.

Es war ihr egal, Hauptsache, weg von hier!

* * *

Es kam so, wie Bernd es vermutet hatte.

Nach einer Flasche Wodka wurden die Russen sentimental und sangen wehmütige Lieder aus ihrer Heimat.

Grigorij Alexandrowitsch umarmte Bernd.

“Trink mit mir Brüderchen! Wladimir Wladimirowitsch hat mich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Wir suchten uns neue Betätigungsfelder.
In Mütterchen Russland war nichts mehr so, wie es früher einmal war!”

Bernd dachte daran, dass sie früher einmal Idealisten gewesen waren, die daran glaubten, mit ihren Aktionen den Frieden in der Welt zu sichern.

Bis die Sowjetunion den Fehler gemacht hatte, Afghanistan zu besetzen.

Bernd wusste damals schon, das konnte niemals gut gehen, denn an dieser Aufgabe waren von Alexander dem Großen bis heute alle gescheitert.

Aber ungeachtet des Alkoholkonsums, versuchte er weiterhin, klare Gedanken zu fassen.

Was würde Nong als nächsten Schritt unternehmen?
Wie konnte man sie am besten schützen?

Grigorij hatte ihm bereits versichert, dass seine Männer mit ihm kämpfen würden.

Sie hatten mit den Thais noch eine Rechnung offen.
Er unterließ aber eine nähere Erklärung.

“Es war alles so leicht vor fünf Jahren, Brüderchen. Wir kauften ein paar Etagen des Pattaya Park Tower und kontrollierten schon bald Drogen- und Waffenhandel. Nur die Prostitution ließ sich hier nicht kontrollieren, hi hi!” lallte Grogorij Alexandrowitsch.

Er winkte einen seiner Männer herbei.

“Leider kann ich dir nur eine alte Makarow und eine Walther PPK anbieten, starii drug!”

Grigorij fuchtelte so wild mit der schwereren von beiden Waffen herum, dass Bernd schon befürchtete, sie würde los gehen.

Bernd entschied sich für die Walther PPK, nicht das Neueste auf dem Markt, aber immerhin, jetzt fühlte er sich wieder wie in alten Zeiten.

* * *

Nong fand am sonnendurchfluteten Strand von Koh Lan auch sofort jemanden, der sie nach Norden bringen wollte.

Aber sie hatte sich anders entschieden.

Sie wollte nach Süden, um dann auf dem Landweg Phuket zu erreichen.

Ihr war es in Berlin gelungen, während der Entführung die Kreditkarte und die Identity Card in der Unterwäsche zu verstecken.

Das ermöglichte es ihr, Geld abzuheben und unabhängig von anderen zu sein.

Das Longtailboot , das man ihr anbot, war nicht hochseetauglich und sie sagte ab.

Die größeren Schiffe wickelten den Touristenverkehr von hier nach Pattaya ab.

Es schien fast unmöglich, so ein Motorschiff zu chartern, es sei denn, man bot einen hohen Preis.

Sie wollte nach Suratthani oder nach Koh Samui.

Und Nong fand mit Nadai einen gut gelaunten Skipper, der sie über den Golf von Thailand nach Süden bringen wollte.

Nong betrachtete das Schiff, das nicht gerade einen Vertrauen erweckenden Eindruck machte, aber Nadai versicherte ihr wortreich, es wäre das schnellste Schiff, die Motoren hatte man gerade vor drei Monaten neu eingebaut.

Nong zahlte den geforderten überhöhten Preis von 10000 Baht widerstrebend, aber sie hatte keine andere Wahl.

Nong lehnte sich an die Reling und dachte an Peter.

Würde dieser Mann auch noch zu ihr stehen, wenn er die ganze Wahrheit kannte?

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als zwei Schnellboote den Kurs kreuzten und Nadai gezwungen war, die Geschwindigkeit zu verringern.

Eines der Boote ging längsseits und als Nong die Männer mit den schussbereiten Maschinenpistolen sah, sprang sie kurz entschlossen ins Wasser.


[size=75]wird fortgesetzt...

 
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