Leserbriefe die nicht veroeffentlicht werden.
LIBYEN
Pressemeldung vom 17. Mai 2011: "Chefankläger des Internationa-
len Strafgerichtshofs in den Haag zeigt Entschlossenheit gegen
über Gaddafi".
Mir geht dazu Shakespeare durch den Sinn: "Ich tu das Bös' und
schreie selbst zuerst. Das Unheil, das ich angestiftet, leg ich
den andern dann zur schweren Last und schein ein Heil'ger, wo
ich Teufel bin."
Seit Monaten hören, lesen und sehen wir Berichte über Libyen und
"seinen Diktator, der Krieg gegen das eigene Volk führt", nicht
selten wird Gaddafi auch als "verrückt" diffamiert.
Ist er verrückt, weil er nach der Absetzung des Königs die Erdöl-
industrie verstaatlicht hat, um aus den Einnahmen Schulen zu
bauen, in denen Jungen wie Mädchen kostenlos Unterricht erteilt
wird? Ist er verrückt weil er unter schwierigsten Bedingungen
unterirdische Wasservorräte erschließen läßt, um für die Menschen
Afrikas bessere Lebensbedingungen zu schaffen? Ist er verrückt,
weil er mit staatlicher Hilfe privates Wohneigentum schafft?
Ist er verrückt, weil er ein funktionierendes Gesundheitswesen :
aufgebaut hat? Ist er verrückt, weil er das Demokratiemodell infrage
stellt^ und seine Bürger über Volkskongresse mitbestimmen
läßt?
Als ich vor 25 Jahren meinen Mann zu einer Herzoperation in die
Schweiz bringen mußte, erfuhr ich, daß der libysche Staat finanziell
an der Klinik in Genolier beteiligt ist und Leute aus dem
Volk zur kostenlosen Behandlung einwies. Ich staunte nicht
schlecht, wurde doch schon damals in der westlichen Welt gegen
den Wüstensohn gehetzt was das Zeug hielt.
Vor der Gaddafi-Ära hatte sich um das Wohl dieser Menschen niemand
gekümmert, ganz gewiß nicht König Idris, dessen Stammesbrüder
sich jetzt, massiv unterstützt durch die westliche Interessengemeinschaft,
lauthals und gewalttätig als "Freiheitskämpfer"
profilieren.
Mein Bruder hat in zeitlichen Abständen insgesamt sechs Jahre in
Libyen gearbeitet. Er schildert das Land als vorbildlich aufgebaut,
die Einwohner gut versorgt -ein krasser Gegensatz zu vielen
Ölstaaten, die er im Laufe seines Berufslebens kennen gelernt
hat. Kein Wort darüber in den offiziellen Verlautbarungen, nach
bewährtem Muster nur zweckmäßige Negativ-Schlagzeilen.
Die Mächtigen dieser Erde lassen das Selbstbestimmungsrecht der
Völker über Bodenschätze, strategische Stützpunkte, neue Wirtschaftsordnungen
und Gesellschaftssysteme nicht zu und begleiten
ihren Einsatz für angeblich so höhere Ziele wie Demokratie, Freiheit
und jetzt sogar den Schutz von Zivilisten mit Waffen
schwersten Kalibers. Trümmer, Tod und Elend bleiben zurück.
Wird auch Libyen ähnlich wie der Irak-im Chaos versinken?
Hanna Schulze